GR. XXVI. ERZIEHUNG^-, UNTERRICHTS- UND BILDUNGSANSTALTEN.
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In den höheren Volksschulen werden
hauptsächlich dieselben Gegenstände ge
lehrt, wie in den eigentlichen Volksschulen,
aber mit erweiterten Lehrcursen. Als neue
Lehrgegenstände kommen hinzu: Zeichnen
aus freier Hand und Buchhaltung.
Gewerbeschulen für Knaben sind an
vielen Orten, besonders in den Städten,-
vorhanden, und in den meisten Mädchen
schulen ist Gelegenheit gegeben zur Uebung
in weiblichen Handarbeiten. In einigen
grösseren Städten ist auch für Mädchen
Gelegenheit bereitet zur Uebung in den
gewöhnlichen weiblichen Haushaltungsge
schäften, wie Backen, Waschen, Plätten u.
a. m., in besonderen zu diesem Zwecke ein
gerichteten sog. Haushaltungsschulen.
Diejenigen Kinder, welche durch Armuth
gehindert werden, den Unterricht während
der ganzen vorgeschriebenen Zeit zu be
nutzen, oder denen die Anlagen fehlen, das
ganze Mass der Kenntnisse, welche der Un
terricht darbietet, sich zu erwerben, müssen
bei dem Abgänge von der Schule wenig
stens folgenden in den Schulgesetzen vor
geschriebenen Minimal-Cursus durchgemacht
haben: Fertigkeit im Lesen, Religionskennt-
niss bis zu dem Grade, welcher erforderlich
ist, um an dem Confirmationsunterrichte
Theil nehmen zu können, Fertigkeit im
Schreiben, im Rechnen die vier Species in
unbenannten Zahlen und Uebung im Kirchen-
gesange, mit Ausnahme derjenigen, denen
die musikalischen Anlagen fehlen.
Als allgemeine Regeln für den Unter
richt gelten, dass die Uebungen in der
Schule hauptsächlich 'die Entwickelung der
Seelenkräfte der Lernenden bezwecken sol
len, und dass ihnen kein Lehrstück zur
Arbeit auf eigene Hand vorgelegt wird,
welches nicht von dem Lehrer mit ihnen
durchgemacht und erklärt worden ist; sowie
auch dass die Lehrgegenstände in zweck
mässiger Ordnung in den Unterricht ein-
treten müssen; dass die Kinder früh zur
Abwechselung mit den Leseübungen im
Schreiben und Rechnen geübt werden sollen;
dass der Unterricht in der biblischen Ge
schichte dem katechetischen Unterrichte vor
angehen, und dass der Unterricht in den
übrigen Lehrgegenständen nicht über die
Zeit aufgeschoben werden soll, da derselbe
mit Vortheil zu der Ausbildung der Lernen
den benutzt werden kann,
Aus den neuesten Berichten erhellt, dass
so ziemlich alle Kinder in der Volksschule,
ausser Leseübungen, in der Religion, im
Schreiben und im Rechnen Unterricht er
halten.
Rücksichtlich der übrigen Lehrgegen
stände ist im Jahre 1871 folgender Anzahl
von Kindern Unterricht ertheilt worden:
215,841 Kindern in
200,380 » »
91,729 » »
310,718 » »
219,657 » »
49,015 » »
Geschichte und
Geographie,
Naturlehre,
Geometrie und
Linearzeichnen,
Gesang,
Gymnastik und
Gartenbau.
In der Religion beginnt der Unterricht
mit mündlicher Darstellung der Erzählungen
aus der biblischen Geschichte, welche an
schaulich gemacht wird durch biblische Bil
der, die für die Schulen veröffentlicht
sind. Die Glaubenslehre wird hauptsäch
lich nach Luther’s kleinem Katechismus
mitgetheilt, und der Lehrer darf zur An
leitung eine darüber herausgegebene Er
klärung benutzen. Die Bibel wird theils
in den täglichen Betstunden und theils in
Zusammenhang mit dem Religionsunterrichte
gelesen; auch lernen die Kinder wichtigere
Bibelsprüche auswendig.
Bei den Leseübungen gewinnt die
Schreiblesemethode immer mehr Eingang,
und die Fertigkeit richtig und gut zu lesen
hat bedeutende Fortschritte gemacht. In
Zusammenhang hiermit wird theils Recht
schreibung zur Einlernung des richtigen
Buchstabirens und theils für die weiter
Fortgeschrittenen Uebungen in schriftlichen
Aufsätzen angewendet.
Im Rechnen beginnt der Unterricht mit
dem Kopfrechnen, und zur Veranschau
lichung der Zahlen werden sog. Rechen
rahmen oder andere zu diesem Zwecke dien
liche Apparate angewßndet. Besonders wer
den die einfachen Rechenarten gut eingeübt,
sodass die Kinder dieselben gründlich ken
nen 'lernen und nicht allein Fertigkeit in
dem mechanischen Rechnen erlangen, son
dern auch die Gründe der Rechenarten und
die praktische Anwendung derselben lernen.
Erst nachdem eine solche Kenntniss erreicht
ist, wird zu den zusammengesetzten Rech
nungsarten fortgeschritten.