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GR. XXVI. ERZIEHUNGS-, UNTERRICHTS- UND BILDUNGSANSTALTEN.
In der Geschichte und Geographie wird
die Kenntniss des Vaterlandes gelehrt theils
in zusammenhängender Uebersicht, theils
in ausführlicherer Darstellung der wich
tigeren Begebenheiten und Ortschaften und
über die andern Kulturländer im Auszug.
Historische Tafeln, Wandkarten, Globen und
Tellurien werden bei diesem Unterrichte
sehr allgemein angewendet, um demjenigen,
was gelehrt wird, eine grössere Anschau
lichkeit zu geben und dadurch die Auffas
sung zu erleichtern.
Die Naturlehre hat mit jedem Jahre
grössere Wichtigkeit bei dem Unterrichte
erhalten, und der Erfolg darin wird sehr
befördert durch die Anwendung des An
schauungsmaterials, welches in der neuesten
Zeit für die Schulen angeordnet worden
ist. Wandgemälde in der Naturgeschichte,
Sammlungen von Pflanzen und Mineralien
sind viel in Gebrauch und an manchen
Orten auch physikalische Apparate.
Geometrie ist ein Lehrgegenstand, der
noch nicht in grösserer Allgemeinheit vor
kommt. Sie wird immer praktisch mitge-
theilt und umfasst gewöhnlich die Eigen
schaften ebener und fester Figuren und die
Art sie auszumessen und zu berechnen. In
Verbindung mit dem Unterricht in diesem
Lehrgegenstande kommt Uebung im Linear
zeichnen vor; aber der Unterricht im Zeich
nen aus freier Hand hat bis jetzt erst an
wenigen Orten begonnen.
In Gesang und Gymnastik wird sehr all
gemein unterrichtet, besonders in ersterem,
welcher beinahe in allen Volksschulen und
in den meisten Kleinschulen geübt wird.
Zu der sicheren Leitung des Gesanges sind
den Schulen Örgelharmonien für billigen
Preis zugänglich. In Verbindung mit der
Gymnastik werden auch militärische Uebun-
gen, wie Märsche, einfache Infanteriebewe
gungen und Handgriffe, vorgenommen.
Der Unterricht im Gartenbau hat bis
jetzt noch keine bedeutenden Fortschritte
gemacht. Doch giebt es Pflanzungsland
bei 2,166 Volksschulen, und je mehr dies
für den Unterricht geordnet wird, muss sich
ohne Zweifel das Interesse für diesen wich
tigen Gegenstand mehren.
Seit 1864' ist vorgeschrieben, dass ein
Abgangsexamen mit denjenigen Schülern
angestellt werden soll, welche von der
Schule abgehen wollen. Diese Vorschrift
ist mit jedem Jahre allgemeiner beobachtet
worden, und im Jahre 1871 hatten von den
abgehenden Kindern 48,742 eine solche
Prüfung bestanden.
Ein wichtiger Theil der Anordnungen
für den Volksunterricht ist die Ertheilung
eines fortgesetzten Unterrichts an diejeni
gen Kinder, welche aufgehört haben die
Schule täglich zu besuchen. Wo ein solcher
Unterricht angeordnet ist, werden dazu in
den Städten gewöhnlich an einigen Wochen
tagen zwei Abendstunden, auf dem Lande
aber wird dazu ein besonderer Wochentag
verwendet. Diese Anordnungen haben sich
gleichwohl langsam entwickelt: im Jahre
1871 haben nur 25,215 Kinder den fort
gesetzten Unterricht benutzt.
In einigen Provinzen sind in den letzten
Jahren Schulen errichtet worden für ältere,
dem Bauernstände angehörende Jünglinge,
die schon weit über das Schulalter hinaus
sind. Der Zweck mit diesen Schulen, welche
den Namen Volkshochschulen erhalten haben,
ist der, die in den Volksschulen erworbenen
Kenntnisse zu vermehren und solche all
gemein-nützlichen Kenntnisse nebst An
wendung derselben mitzutheilen, welche bej
dem Eintritt in das praktische Leben von
ganz besonderer Wichtigkeit sind. Einige
dieser Schulen haben bereits mehre Jahre
mit Erfolg gearbeitet.
V. Die Lehrer. Um bei einer höhe
ren Volksschule Anstellung zu erhalten,
ist erforderlich, an einer Universität studirt
zu haben; ausserdem sind über die An
stellung der Lehrer bei diesen Schulen be
sondere Bestimmungen in den für dieselben
geltenden Beglementen gegeben und von
dem Könige sanctionirt. _ Im Allgemeinen
geht es dabei so zu, dass das Domcapitel
des Stiftes, in welchem die Schule belegen
ist, nachdem von denjenigen, die sich um
das Lehreramt beworben haben, Proben vor
dem Domcapitel abgelegt sind, die drei am
meisten Verdienten derselben vorschlägt,
und der Schulrath dann unter diesen den
Lehrer zu wählen hat.
Was die eigentlichen Volksschulen be
trifft, über welche durch eine königliche
Verfügung vom Jahre 1859 vorgeschrieben
wird, dass dasjenige, was über die Lehrer
festgesetzt ist, auch auf die Lehrerinnen
Anwendung finden soll, so ist erforderlich,
um als ordentlicher Lehrer oder ordentliche
Lehrerin bei einer solchen Schule ange-