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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

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ANHANG. 
tet, welche durch das Bedürfniss und die 
Menschenliebe ins Dasein gerufen sind; die 
hier erwähnten dürften aber doch die an- 
merkenswerthesten sein. 
Die Hausindustrie, welche von den Bäue 
rinnen vorzugsweise betrieben wird, besteht 
in Spinnen und Weben zum Hausbedarf. 
In verschiedenen Landestheilen, z. B. in 
Angermanland im nördlichen Schweden, wo 
der Flachsbau mit Erfolg betrieben wird, 
haben diese Arbeiten gleichwohl eine be 
deutende Ausdehnung erhalten, und die 
dort mit der Hand znbereitete Leinwand 
bildet in dem Reiche einen wesentlichen 
Handelsartikel. Wenn diese auch durch 
Gleichmässigkeit und Farbe von den aus 
ländischen Fabriksgeweben übertroffen wer 
den, so hält man sie doch wegen ihrer 
Zubereitungsart für überlegen an Stärke 
und Dauerhaftigkeit. Von einem Theile im 
mittleren Schweden, Wingäker in Söder- 
manland, kommen Garn und Gewebe von 
ungefärbter Wolle in nicht unbedeutenden 
Quantitäten auf den einheimischen Markt, 
und die Bäuerinnen aus dieser Gegend 
wandern im Lande umher, um ihre Waa- 
ren auszubieten. In einer andern Provinz, 
Westergötland, werden dagegen weisse und 
farbige baumwollene sowie halbwollene 
Kleiderzeuge von den Landleuten zu Hause 
angefertigt, und diese Industrie hat eine recht 
grosse Ausdehnung. Arbeitsuntemehmer, 
grösstentheils wohlhabende Bauern, liefern 
Arbeitsmaterialien, bezahlen einen unbedeu 
tenden Arbeitslohn und schicken darauf diese 
Waaren aus über das ganze Reich, sowie 
auch nach Norwegen, wo sie guten Absatz 
finden (vgl. Gr. 21). 
Auch Stricken gehört zu der allgemei 
nen Hausindustrie, und die Bäuerinnen der 
Westküste fertigen damit warme und starke 
wollene Jacken an für die seefahrenden 
Männer. In verschiedenen Gegenden trifft 
man auch recht künstlich gearbeitete und 
ausgezierte gestrickte Handschuhe, welche 
von den Landleuten benutzt werden. 
Eine andere für unser Land ungewöhn 
lichere Beschäftigung ist das Spitzenklöp 
peln, welches in der Landschaft Ostergot 
land im mittleren Schweden vorkommt. 
Wahrscheinlich stammt es aus der Zeit, da 
das Nonnenkloster in Wadstena im Norden 
weit berühmt war und die dortigen Non 
nen sich mit dem Klöppeln beschäftigten, 
denn es wird hauptsächlich in dem er- 
Schiveden. 
LICHE ARBEITEN. 209 
wähnten Städtchen und in der Umgegend 
von den Frauen der unteren Klassen be 
trieben. Da diese Beschäftigung lange sich 
selbst überlassen gewesen ist, und Produkte 
derselben nur von umherwandernden Ver 
käuferinnen abgesetzt worden sind, so war 
sie allmählich gesunken sowohl was die 
Qualität als auch was die Muster betrifft. 
Die Königin Louise, die Gemahlin des Kö 
nigs Carl XV, suchte diesen Industriezweig 
dadurch zu heben, dass sie vom Auslande 
neue Muster und gutes Garn anschaffen 
und unter die Arbeiterinnen austheilen liess. 
Dass diese und andere Bemühungen in glei 
cher Richtung nicht ganz fruchtlos gewesen 
sind, beweisen die schönen Proben von 
Spitzenarbeiten, die man bisweilen von Wad- 
stena erhält. Leider wird jedoch die Spi- 
tzen-Industrie fortwährend ziemlich planlos 
betrieben, indem die Arbeiterinnen sich an 
dem einen Tage mit dem Klöppeln und an 
dem andern mit ländlichen Arbeiten be 
schäftigen, daher auch selten grössere Be 
stellungen ausgeführt werden können. 
Auch in einer andern Landschaft, in 
dem nördlicher belegenen Dalarne, gehört 
die Spitzenklöppelei zu der Hausindustrie 
der Landbewohner, wenn auch hier von 
einer Art, die von der eben angeführten 
ganz abweicht. Dieselbe wird aber nur für 
das eigene Bedürfniss der Bewohner betrie 
ben und auch in keinem grösseren Masssta- 
be, als solche Arbeit zu ihrer Nationaltracht 
angewendet wird, welche hier seit Jahrhun 
derten unverändert geblieben ist. In den we 
nigen Provinzen, wo dergleichen Trachten 
noch in Gebrauch sind, zeichnet sich auch 
die Hausindustrie durch eine grössere Ab 
wechselung aus und zeugt von einem entwi 
ckelteren Schönheitssinne der Arbeiterinnen. 
Es ist von sehr grossem Interesse, die eigen 
tümlichen, sorgfältig ausgeführten Sticke 
reien und die kunstreichen, geschmackvol 
len Gewebe zu betrachten, welche von ein 
fachen, an Mangel und Entbehrungen ge 
wöhnten Naturkindern, die von der einen 
Generation zu der andern sowohl ihre Fer 
tigkeit als auch ihre Muster von den Vor 
fahren geerbt haben, mit höchst unvollkom 
menen Werkzeugen angefertigt werden. 
Bisweilen bringen sie auch originelle und 
sinnreiche Zusätze und Verbesserungen von 
eigener Erfindung an. 
Eine solche von der frühesten Kindheit 
an eingeübte Arbeitsgeschicklichkeit ist auch 
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