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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

REICHSTAG. 
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Obgleich im Ganzen genommen die Ver 
brechen in der Abnalime begriffen sind, so 
zeigt sich darin doch bisweilen eine merk-' 
bare Zunahme. I. J. 1865 betrug die An 
zahl der wegen sog. grober Verbrechen Ver- 
urtheilten 1,499 Personen (1,252 männl. 
und 247 weibl.) oder nur 3 - 6 von 10,000 
Einw.; 1869 dagegen waren die entspre 
chenden Zahlen 2,834 Personen oder 6-8 
von . der gleichen Anzahl Einw. Durch 
specielle Untersuchungen ist doch consta- 
tirt, dass diese vermehrte Anzahl von Ver 
brechen, besonders Diebstähle, hervorgerufen 
ist von der durch die ungünstigen Ernten 
in den Jahren 1867 und 1868 bewirkten 
ökonomischen Bekümmern iss, sowie dass 
mit den darauf eingetroffenen guten Jah 
ren die Anzahl der Verbrechen wieder ge 
sunken ist (1870: 1,949 Personen oder 4‘7 
von 10,000 Einw.). 
Repräsentative Versammlungen. 
Die alte schwedische Volksrepräsenta 
tion, welche aus den 4 Ständen (Adlige, 
Geistliche, Bürger und Bauern) bestand, 
wurde mit eigener Einwilligung i. J. 1866 
aufgehoben, sodass das schwedische Volk 
jetzt repräsentirt wird von dem Reichstage, 
vertheilt in zwei Kammern, die erste und 
die zweite, welche in allen Fragen gleiche 
Befugniss und Machtvollkommenheit, besi 
tzen. Die Reichstage sind jährlich; dieReichs- 
tagsbevollmächtigten werden auf gewisse 
Zeit gewählt; doch steht dem Könige das 
Recht zu, vor dem Ablaufe dieser Zeit neue 
Wahlen zu verordnen. 
Zu der ersten Kammer werden die Mit 
glieder ohne Rücksicht auf den Wohnort 
auf 9 Jahre gewählt von der Länsreprä- 
sentation (Landsting) und von Stadtbevoll 
mächtigten (in Städten mit über 25,000 
Einw.), einer für jede 30,000 der Bewoh 
ner des Läns (der Stadt). Zur Wählbar 
keit sind erforderlich ein Alter von 35 Jah 
ren, Grundstücke zu einem Taxwerthe von 
mindestens 80,000 R:dr (=1 14,000 Francs) 
zu besitzen und wenigstens 3 Jahre vor 
der Wahl besessen zu haben oder ein jähr 
liches steuerbares Einkommen von 4,000 
R:dr zu haben. Die Mitglieder erhalten keine 
Diäten; ihre Anzahl ist jetzt 128. 
Zu der zweiten Kammer wird auf 3 
Jahre ein Mitglied von jedem Gerichts- 
sprengel (Domsaga) gewählt (2 Mitglieder 
für Gerichtssprengel mit über 40,000 Einw.) 
und ein solches für alle 10,000 Einw. in 
den Städten (kleinere Städte werden zu 
Wahlkreisen vereinigt). Zum Wahlrecht 
sind erforderlich: Stimmenrecht in der Kom 
mune, Grundbesitz von mindestens 1,000 
R:dr (oder Pachtung eines Grundbesitzes 
von mindestens 6,000 R:dr Taxwerth. auf 
5 Jahre) oder ein jährliches steuerbares Ein 
kommen von 800 R:dr; die Wahlen ge 
schehen entweder durch Electoren oder un 
mittelbar, wobei jeder Wählende nur Eine 
Stimme besitzt. Um wahlbar zu sein, ist 
Wahlrecht und ein Alter von 25 Jahren 
erforderlich. Die Mitglieder der zweiten 
Kammer erhalten für jeden Reichstag, wel 
cher 4 Monate dauern soll, 1,200 R:dr 
nebst Ersatz der Reisenkosten. Die Zahl 
derselben ist gegenwärtig 194. 
Der Grundunterschied in der Zusammen 
setzung der beiden Kammern ist also der, 
dass die erste Kammer das grössere Ver 
mögen repräsentirt und eine grössere Con- 
tinuität darbietet, indem das Mandat ihrer 
Mitglieder 9 Jahre von der Wahl eines 
jeden gilt, während die ganze zweite Kam 
mer in jedem dritten Jahre neu gewählt 
wird, sowie, auch darin, dass die Mitglieder 
der ersten Kammer, welche ohne Rücksicht 
auf den Wohnort gewählt werden können, 
keine Diäten erhalten, die dagegen denen 
der zweiten Kammer zukommen, welche an 
dem von ihnen repräsentirten Orte ansässig 
sein müssen. 
Wortführer (Talmäri) und Vice-Wort- 
führer werden von dem Könige unter den 
Mitgliedern der Kammern ernannt. 
Die Reichstagsbevollmächtigten, welche 
von keinen andern Vorschriften gebunden 
sind, als von den Grundgesetzen des Rei 
ches, besitzen ein unbeschränktes Motions 
recht. 
Vor der Behandlung der Angelegenhei 
ten in den Kammern werden dieselben in 
gewissen Ausschüssen vorbereitet. Diese sind: 
der Constitutions-Ausschuss für Grundgesetz 
fragen und Prüfung der Protokolle der 
Staatsräthe, der Staats-Ausschuss für die 
Entwertung des Budgets, der Bewilligungs- 
Ausschuss für die Veränderung der Bewil 
ligungsgesetze (zu Bewilligungen gehören: 
die Zoll- und Postgelder, die Stempelpapier-, 
Branntweins- und Runkelrübenzucker- Ab 
gabe und die Einkommen-Steuer), der Bank- 
Ausschuss für die Verwaltung der Reichs-
	        
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