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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

GR. XXI. DIE NATIONALE HAUSINDUSTRIE. 
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dehnten Fichten- und Tannenwäldern bedeckt, 
wogegen im Innern desselben grosse fiischreiche 
Seen und Sümpfe sich befinden, zw ischen w elchen 
mit Birken bestandene Bergrücken sich hinziehen, 
die von dem in der Mitte des Landes befindlichen 
und von nordost nach südwest sich erstreckenden 
Hochplateau »Kölen» auslaufen, von welchem sich 
theils nackte theils schnee- und eisbedeckte Berge 
erheben, auf denen die langen und zahlreichen, 
in den Bottnischen Meerbusen ausmündenden 
Flüsse ihre Quellen haben. In Norwegen wird 
das von Lappen bewohnte Gebiet grösstentheils 
von hohen Gebirgen und Plateaux gebildet, zwi 
schen welchen kurze und enge weidereichen Thälcr 
liegen, die von kurzen Flüssen, welche steil in 
die tiefen vom Ocean gebildeten Fjorde hinab 
stürzen. ln Finland-Russland besteht der innere 
Theil Lapplands aus grossen wasserreichen Walde 
benen, zwischen denen hier und da niedrige Berg 
rücken (Maanselkä) oder waldlose Berge liegen, 
und nach Norden und gegen das Meer hin aus 
waldlosen »Tundror»: öde, moosbewachsene Flä 
chen, auf welchen der Erdfrost nie ganz ver 
schwindet. 
Innerhalb dieses ausgedehnten Gebietes wech 
seln Vegetation und Klima bedeutend. Am mil 
desten ist dasselbe nach der norwegischen Meeres 
küste hin und im übrigen Lappland in dem tiefer 
gelegenen Theile oder in der Region der Nadel 
hölzer. In und über derselben beginnt die Region 
der Birke, dieser folgt die der Weide, dann die 
von Empetrum und der Zwergbirke (Betula nana), 
hierauf das nackte, nur von vereinzelten Azalea 
oder Ranunkeln gezierte Gebirge und endlich der 
ewige Schnee, aus welchem schroffe Berggipfel her- 
vorvagen. 
In Folge der hohen nördlichen Lage, grössten 
theils über dem Polarkreise, steht die Sonne da 
selbst während des Sommers fast beständig am 
Firmamente, während des Winters herrscht dage 
gen Mangel an Sonnenlicht. Der erstere Umstand 
verursacht eine sehr schleunige Entwickelung der 
Vegetation, so dass Gerste, die vor dem i Iuni 
gesäet wird, schon vor dem 15 August zur Ernte 
reif ist. Die hauptsächlichsten Vertreter des 
Thierreiches sind: Bär, Wolf, Vielfrass, Fuchs, 
Eisfuchs, Elennthier (spärlich), wildes Rennthier, 
Hase, Eichhorn, Auerhuhn, Birkhuhn, Lagopus, 
Haselhuhn, Gänse und Enten, Schwan, Kranich 
und zahlreiche Fischarten, namentlich Lachs und 
Forellen. 
Das Volk, die Lappen, nennt sich selbst Same, 
Sabine oder Same-lads und ist sow'ohl durch seine 
Körperbildung als durch gewisse uralte Sitten und 
seine frühere Religion ein von allen anderen 
streng geschiedener Volksstamm. Seine Sprache 
gehört zum Altai- oder ugorischen Sprachstamme, 
in welchem es mit dem Finnischen am nächsten 
verwandt ist, das im Lappländischen noch einen 
Theil älterer Formen und Wurzeln, die es bei der 
Entwickelung verloren, wiederfindet. 
In physischer Hinsicht zeichnen sich die 
Lappen durch kleinen Wuchs, zarten aber sehni 
gen Körperbau aus, w'obei sie im Allgemeinen in 
Folge der starken Körperbewegung und der ani 
malischen Kost hager sind. Die Farbe der Haut, 
des Haares und der Iris ist braun, der Bartwuchs 
schwach, die Backenknochen sind hervorstehend, 
das Kinn ist vorgeschoben, die Augenspaltcn sind 
horizontal, die Form des Schädels ist stark bra- 
chycephal (index 83,5) mit etwas hervorstehendem 
Oberkiefer. Die Augen sind in Folge des Rauches 
in ihren Wohnungen und des Sonnenglanzes von 
See und Schnee oft krank. Hinsichtlich des Cha 
rakters sind sie friedliebend, gutmüthig, ehrlich, 
im Grunde und unter einander humoristisch, 
durch den Druck der an Zahl und Stärke ihnen 
überlegenen Nachbarn hat sich aber Argwohn und 
Hinterlist bei ihnen ausgebildet. 
Die beständige Einwirkung des Rauches und 
der starke Wechsel von anhaltendem Licht und 
Dunkel nebst der Augenkrankheit veranlassen ha 
bituelles Zusammenziehen der Augenbraunen, was 
ihnen ein melancholisches Aussehen verleiht, — 
ein Zug, der vielleicht auch von dem Bewusst 
sein der vergleichungsweise ungünstigen Verhält 
nisse, in denen sie leben, hervorgerufen wird. 
Sie sind beharrlich in ihrer Arbeit und ihren 
Entschlüssen, sparsam, w r enn nicht die Versuchung 
zum Trunk an sie herantritt, der sie schwer 
widerstehen können. Ferner sind sie mild gegen 
Weib und Kind, freundlich, treu und hilfreich 
unter einander, doch bedingen ungleiche Vermö 
gensverhältnisse verschiedenes Ansehen. Mit einer 
seltenen Geschicklichkeit verfertigen sie Alles, 
was sie in ihrer Haushaltung brauchen, ausge 
nommen Zeuge und Metallarbeiten: namentlich 
sind sie im Holz- und Hornschnitzen sehr ge 
schickt und die Weiber verfertigen sehr feine 
Broderien aus Seide und Zinndraht. Sie lieben 
Zierathen, schöne Farben, Flitter und Geklapper 
und setzen hohen Werth auf Gegenstände aus 
Silber und auf Kupfergeschirr. Ihre Kleider nähen 
sic sich selbst theils aus wollenem Zeuge (Wad 
mal) theils aus gegerbtem oder ungegerbtem 
Rennthierleder mit aufsitzendem Haar, welche 
letztere Tracht im Winter getragen wird. Sämmt- 
liche Kleidungsstücke aus Leder, wie auch die 
Schuhe, werden mit einem F'aden genäht, der aus 
den Sehnen der Vorder- und Hintcrfüsse oder 
des Rückens vom Rennthiere verfertigt ist, und 
wird ein ähnlicher Faden auch bei den Broderien 
aus Zinn, mit denen sie ihre Sommertracht (Kapte) 
oder das Geschirr der Rennthiere schmücken, 
gebraucht. 
Ihre Nahrung, nämlich Fleisch, Milch und 
Käse, beziehen sie zum grössten Theile von ihren 
Rennthierherden, doch nähren sich auch einige 
hauptsächlich von Fisch. 
Kleineres Wildpret und Grauwerk liefernde 
Thiere werden von den iu den Waldgegenden 
wohnenden Lappen viel gejagt, wogegen die s. g. 
Gebirgslappen der Jagd nur zum Zwecke der Ver 
folgung und Ausrottung der ihren Herden schäd 
lichen Raubthiere oder der Gewinnung von Pelz 
werk obliegen. Obgleich die Nahrung grössten 
theils animalisch ist, fehlt doch selten Mehl (aus 
Gerste) zu Brei und Brod, welches ohne Hefe 
gebacken wird; ansserdem pflegen sie die Renn 
thiermilch mit Rumex-Arten, Mulgedium und 
Archangelica zu versetzen, was sie für eine De- 
licatessc, »Jobmo» genannt, halten. Eiue andere 
ist das Mark aus den Knochen der Extremitäten 
des Rennthieres, welches durch Zermalmen in 
derselben Weise erhalten wird, wie es ehemals 
bei den Völkern der Pfahlbauten- und Rennthicr- 
Pcriode in Süd-Europa gebräuchlich war. Der 
Gebrauch des Kaffees hat in den letzteren Jahsen
	        
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