GR. XXI. DIE NATIONALE HAUSINDUSTRIE.
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dehnten Fichten- und Tannenwäldern bedeckt,
wogegen im Innern desselben grosse fiischreiche
Seen und Sümpfe sich befinden, zw ischen w elchen
mit Birken bestandene Bergrücken sich hinziehen,
die von dem in der Mitte des Landes befindlichen
und von nordost nach südwest sich erstreckenden
Hochplateau »Kölen» auslaufen, von welchem sich
theils nackte theils schnee- und eisbedeckte Berge
erheben, auf denen die langen und zahlreichen,
in den Bottnischen Meerbusen ausmündenden
Flüsse ihre Quellen haben. In Norwegen wird
das von Lappen bewohnte Gebiet grösstentheils
von hohen Gebirgen und Plateaux gebildet, zwi
schen welchen kurze und enge weidereichen Thälcr
liegen, die von kurzen Flüssen, welche steil in
die tiefen vom Ocean gebildeten Fjorde hinab
stürzen. ln Finland-Russland besteht der innere
Theil Lapplands aus grossen wasserreichen Walde
benen, zwischen denen hier und da niedrige Berg
rücken (Maanselkä) oder waldlose Berge liegen,
und nach Norden und gegen das Meer hin aus
waldlosen »Tundror»: öde, moosbewachsene Flä
chen, auf welchen der Erdfrost nie ganz ver
schwindet.
Innerhalb dieses ausgedehnten Gebietes wech
seln Vegetation und Klima bedeutend. Am mil
desten ist dasselbe nach der norwegischen Meeres
küste hin und im übrigen Lappland in dem tiefer
gelegenen Theile oder in der Region der Nadel
hölzer. In und über derselben beginnt die Region
der Birke, dieser folgt die der Weide, dann die
von Empetrum und der Zwergbirke (Betula nana),
hierauf das nackte, nur von vereinzelten Azalea
oder Ranunkeln gezierte Gebirge und endlich der
ewige Schnee, aus welchem schroffe Berggipfel her-
vorvagen.
In Folge der hohen nördlichen Lage, grössten
theils über dem Polarkreise, steht die Sonne da
selbst während des Sommers fast beständig am
Firmamente, während des Winters herrscht dage
gen Mangel an Sonnenlicht. Der erstere Umstand
verursacht eine sehr schleunige Entwickelung der
Vegetation, so dass Gerste, die vor dem i Iuni
gesäet wird, schon vor dem 15 August zur Ernte
reif ist. Die hauptsächlichsten Vertreter des
Thierreiches sind: Bär, Wolf, Vielfrass, Fuchs,
Eisfuchs, Elennthier (spärlich), wildes Rennthier,
Hase, Eichhorn, Auerhuhn, Birkhuhn, Lagopus,
Haselhuhn, Gänse und Enten, Schwan, Kranich
und zahlreiche Fischarten, namentlich Lachs und
Forellen.
Das Volk, die Lappen, nennt sich selbst Same,
Sabine oder Same-lads und ist sow'ohl durch seine
Körperbildung als durch gewisse uralte Sitten und
seine frühere Religion ein von allen anderen
streng geschiedener Volksstamm. Seine Sprache
gehört zum Altai- oder ugorischen Sprachstamme,
in welchem es mit dem Finnischen am nächsten
verwandt ist, das im Lappländischen noch einen
Theil älterer Formen und Wurzeln, die es bei der
Entwickelung verloren, wiederfindet.
In physischer Hinsicht zeichnen sich die
Lappen durch kleinen Wuchs, zarten aber sehni
gen Körperbau aus, w'obei sie im Allgemeinen in
Folge der starken Körperbewegung und der ani
malischen Kost hager sind. Die Farbe der Haut,
des Haares und der Iris ist braun, der Bartwuchs
schwach, die Backenknochen sind hervorstehend,
das Kinn ist vorgeschoben, die Augenspaltcn sind
horizontal, die Form des Schädels ist stark bra-
chycephal (index 83,5) mit etwas hervorstehendem
Oberkiefer. Die Augen sind in Folge des Rauches
in ihren Wohnungen und des Sonnenglanzes von
See und Schnee oft krank. Hinsichtlich des Cha
rakters sind sie friedliebend, gutmüthig, ehrlich,
im Grunde und unter einander humoristisch,
durch den Druck der an Zahl und Stärke ihnen
überlegenen Nachbarn hat sich aber Argwohn und
Hinterlist bei ihnen ausgebildet.
Die beständige Einwirkung des Rauches und
der starke Wechsel von anhaltendem Licht und
Dunkel nebst der Augenkrankheit veranlassen ha
bituelles Zusammenziehen der Augenbraunen, was
ihnen ein melancholisches Aussehen verleiht, —
ein Zug, der vielleicht auch von dem Bewusst
sein der vergleichungsweise ungünstigen Verhält
nisse, in denen sie leben, hervorgerufen wird.
Sie sind beharrlich in ihrer Arbeit und ihren
Entschlüssen, sparsam, w r enn nicht die Versuchung
zum Trunk an sie herantritt, der sie schwer
widerstehen können. Ferner sind sie mild gegen
Weib und Kind, freundlich, treu und hilfreich
unter einander, doch bedingen ungleiche Vermö
gensverhältnisse verschiedenes Ansehen. Mit einer
seltenen Geschicklichkeit verfertigen sie Alles,
was sie in ihrer Haushaltung brauchen, ausge
nommen Zeuge und Metallarbeiten: namentlich
sind sie im Holz- und Hornschnitzen sehr ge
schickt und die Weiber verfertigen sehr feine
Broderien aus Seide und Zinndraht. Sie lieben
Zierathen, schöne Farben, Flitter und Geklapper
und setzen hohen Werth auf Gegenstände aus
Silber und auf Kupfergeschirr. Ihre Kleider nähen
sic sich selbst theils aus wollenem Zeuge (Wad
mal) theils aus gegerbtem oder ungegerbtem
Rennthierleder mit aufsitzendem Haar, welche
letztere Tracht im Winter getragen wird. Sämmt-
liche Kleidungsstücke aus Leder, wie auch die
Schuhe, werden mit einem F'aden genäht, der aus
den Sehnen der Vorder- und Hintcrfüsse oder
des Rückens vom Rennthiere verfertigt ist, und
wird ein ähnlicher Faden auch bei den Broderien
aus Zinn, mit denen sie ihre Sommertracht (Kapte)
oder das Geschirr der Rennthiere schmücken,
gebraucht.
Ihre Nahrung, nämlich Fleisch, Milch und
Käse, beziehen sie zum grössten Theile von ihren
Rennthierherden, doch nähren sich auch einige
hauptsächlich von Fisch.
Kleineres Wildpret und Grauwerk liefernde
Thiere werden von den iu den Waldgegenden
wohnenden Lappen viel gejagt, wogegen die s. g.
Gebirgslappen der Jagd nur zum Zwecke der Ver
folgung und Ausrottung der ihren Herden schäd
lichen Raubthiere oder der Gewinnung von Pelz
werk obliegen. Obgleich die Nahrung grössten
theils animalisch ist, fehlt doch selten Mehl (aus
Gerste) zu Brei und Brod, welches ohne Hefe
gebacken wird; ansserdem pflegen sie die Renn
thiermilch mit Rumex-Arten, Mulgedium und
Archangelica zu versetzen, was sie für eine De-
licatessc, »Jobmo» genannt, halten. Eiue andere
ist das Mark aus den Knochen der Extremitäten
des Rennthieres, welches durch Zermalmen in
derselben Weise erhalten wird, wie es ehemals
bei den Völkern der Pfahlbauten- und Rennthicr-
Pcriode in Süd-Europa gebräuchlich war. Der
Gebrauch des Kaffees hat in den letzteren Jahsen