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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

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GH. IV. NAHRUNGS- UNI) GENUSSMITTEL ALS ERZEUGNISSE DER INDUSTRIE. 
Schweden mag auch erwähnt werden, dass 
man in den letzten Zeit an einigen Orten 
angefangen hat, sog. Kalkzucker als einen 
angemessenen Rohstoff für die Runkelrüben- 
Zuckerfabriken herzustellen. Da die lan 
gen Transporte und die in weiter Ferne 
von einander belegenen Fabriken es un 
möglich machen, die Runkelrüben in un 
veredeltem Zustande nach dem Fabrikations 
orte zu schaffen, so hat man begonnen Ver 
suche damit anzustellen, als ein Haus- und 
Nebengewerbe des Landbaues die Runkel 
rüben so zu behandeln, dass dieselben ge 
rieben werden, der Saft ausgepresst, mit 
telst Kalkmilch unter Erwärmung geklärt 
und nach einer Seihuug zu einer Consi- 
stenz von 30 bis 32 Graden Baume oder 
zu etwa 1"26 specif. Gewicht eingekocht 
wird. Nach der Erkaltung des Saftes wird 
neugelöschter Kalk hinzugesetzt, da sich 
unmittelbar der Kalkzucker als eine kör 
nige oder grausartige Masse bildet. Nach 
angestellten Versuchen, die schon 1870 in 
der agricultur-chemischen Versuchsanstalt 
der Königl. Akademie der Landwirthschaft 
in Stockholm angestellt wurden, hat man 
darauf, doch nur versuchsweise und in un 
bedeutendem Massstabe, nach der erhaltenen 
Anweisung Kalkzucker in Blekinge und auf 
Äräs in Westergötland hergestellt und es 
ist an mehren Orten die Rede davon, klei 
nere Fabriken zur Kalkzuckerzubereitung 
anzulegen. Man meint, dass diese Fabriken 
billig und leicht anzulegen sind. Dadurch 
dürfte der Anbau der Runkelrüben im Lande 
allgemeiner in Gang kommen. 
Man hat es nämlich zur Genüge er 
forscht, dass die schwedischen Runkelrüben 
vollkommen eben so gut und zuckerreich 
sind, wie die in Deutschland, Frankreich 
und Belgien geernteten, dass aber gewisse 
Umgestaltungen, welche die Ökonomie der 
Landwirthschaft betreffen, erst durchgeführt 
werden müssen, ehe man den Anbau der 
Runkelrüben so ordnen kann, dass sich ei 
ne weitumfassende und für das ganze. Land 
wichtige Industrie darauf gründen lässt. 
Zur Erreichung dieses Zieles scheint die 
Zubereitung des Kalkzuckers, besonders in 
Ansehung der Naturverhältnisse Schwedens, 
von einer gewissen Wichtigkeit werden zu 
können als eine wichtige Uebergangsform 
der Entwickelung eines für den Landbau 
und die Industrie des Landes höchst be 
deutungsvollen Nahrungszweiges. 
Branntwein. Die Zubereitung des Brannt 
weins ist in Schweden von Alters her nur mit 
Ausnahme von kurzen Unterbrechungen aus 
schliesslich ein Nebenzweig des Landbaues 
gewesen. Das Recht einer solchen Zube 
reitung kam im Allgemeinen jedem Land 
besitzer zu und durfte nach seinem Belie 
ben in dem grössten oder kleinsten Mass 
stabe ausgeübt werden. In einem Lande 
wie Schweden, mit seinen bis noch vor 
kurzer Zeit unvollkommenen Kommunika 
tionen, erbot auch diese Zubereitung dem 
Landbesitzer ein sehr bequemes Mittel, seine 
Erdprodukte in eine leicht transportable 
Waare zu verwandeln, während gleichzei 
tig der Abfall zur Verbesserung des Land 
baues anwendbar war. Da zugleich die 
Abgabe für die Zubereitung, welche der 
Staat je nach der Grösse der Geräthschaften 
bezog, äusserst gering war, so war die na 
türliche Folge, dass die Zubereitung eine 
ausserordentliche Ausdehnung erhielt. Die 
grösseren und kleineren Landbesitzer fan 
den es allgemein mit ihrem Vortheile ver 
einbar, von ihren eigenen Produkten selbst 
Branntwein zuzubereiten, sodass vor etwa 
40 Jahren an mehr denn 170,000 ver 
schiedenen Stellen im Lande Branntwein 
zubereitet wurde. 
Es war natürlich, dass ein solches Sy 
stem in mehren Hinsichten schädlich sein 
musste. Die Geräthschaften waren von der 
allereiufachsten Beschaffenheit und wurden 
auf eine Weise angewendet, dass sie von 
dem verwendeten Rohstoff nur eine ver 
gleichsweise schwache Ausbeute lieferten, 
sodass der Export von Spiritus unmöglich 
war. Die ganze Produktion wurde also von 
der Bevölkerung des Landes verbi’aucht, 
und dieser Verbrauch wurde durch die in 
hohem Grade verbreitete Zubereitung in 
Verein mit einer äusserst mangelhaften Ge 
setzgebung in Betreff des Minuthandels mit 
Branntwein erleichtert. 
Die Anlage grösserer Brennereien mit 
besseren Zubereitungsmethoden veranlasste 
zwar allmählich eine nicht geringe Ein 
schränkung der auf dem Lande verbreite 
ten kleinen Brennereien; aber noch vor 20 
Jahren wurde in etwa 700 mit'Dampf ge 
triebenen Werken und in 37,000 kleinen 
Brennereien Branntwein zubereitet. Jetzt 
aber entstand eine andere Ungelegenheit. 
Die grösseren Geräthschaften und die ver 
besserten technischen Methoden, welche zwar
	        
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