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GR. IV. NAHRÜNGS- LIND GENUSSMITTEL ALS ERZEUGNISSE DER INDUSTRIE.
düng der Renthierflechte. Nachdem nämlich
Prof. Stenberg in Stockholm zu befinden ge
meint hatte, dass diese Flechtenart zu dem
fraglichen Zwecke besonders passend sein
müsste, stellte er damit i J. 1868 Versuche
im Grossen an, deren Resultat war, dass in
den folgenden Jahren bei mehren Fabriken
grössere und kleinere Quantitäten von Ren-
thierflechten verwendet worden sind. Die
Ausbeute von Spiritus, die dabei gemacht
worden ist, hat sich inzwischen sehr ver
schieden gezeigt, indem sie theils auf der
Beschaffenheit der Flechten selbst und theils
auf der Verfahrungsart bei der Zubereitung
beruht. Durchschnittlich hat jeder Centner
Renthierflechten etwa 6 Kannen Brannt
wein von der Normalstärke geliefert, doch
ist dieser Ertrag bei einer sorgfältig gelei
teten Zubereitung bis auf 9 Kannen ge
stiegen. Jährlich sind im Durchschnitt etwa
300,000 Kannen Branntwein von Renthier
flechten zubereitet worden, und es unter
liegt keinem Zweifel, dass in Jahren, da
die Kartoffelernte fehlschlägt, dieser Roh
stoff, von welchem Schweden unerschöpfliche
Vorräthe besitzt, in weit grösserem Mass-
stabe angewendet werden wird.
Die jährliche Einfuhr destillirter Spi-
rituswaaren, welche vorzugsweise in Arrak,
Rum und Cognac bestehen, hat in der er
wähnten Periode 1862—1871 im Durch
schnitt etwa 950,000 Kannen (fast 2| Mill.
Liter) von der Normalstärke betragen, wo
gegen keine nenneswerthe Ausfuhr statt
gefunden hat.
Der Detailhandel mit Branntwein ist
einer besonderen Besteuerung unterworfen,
welche nach der Berechnung von 25 oder
40 Öre für jede Kanne des verkauften
Branntweins erlegt wird. Die Bestimmung
dieser Handelsrechte kommt der Commune
zu, welche auch die eingeflossene Steuer
erhält, die für jedes Län so vertheilt wird,
dass i an das Landsting, an die Haus
haltungsgesellschaft und | an die Com
mune fallen. Die Einnahme, welche auf
solche Weise i. J. 1871 vertheilt wurde,
betrug 1,801,883 R:dr.
Eine für Schweden eigenthümliche und
nicht unbedeutende Industrie ist die Fabri
kation des berühmten sog. schwedischen
Punsches, eines aus Arrak oder Rum, Wasser
und Zucker zubereiteten Liqueurs, der auch
nach dem Auslande, sogar nach ausser-
europäischen Ländern, seinen Weg gefun
den hat.
Wein wird aus gewissen Beerenarten,
wie Johannisbeeren, Stachelbeeren, Kirschen,
sowie auch etwas von eingeführten Rosinen
oder schlechten Weinen zubereitet. Das
jährliche Produkt bei 5 solchen Fabriken
wird angegeben zu 150,000 Kannen.
Bier und Porter. Die Bereitung von
Bier, als zu der privaten Haushaltung ge
hörend, ist seit den ältesten Zeiten im
Lande allgemein gewesen. Dagegen steht
die Entwickelung derselben zu einer grösse
ren Industrie in nahem Zusammenhänge mit
dem verminderten Verbrauch des Brannt
weins, den die neue Gesetzgebung in Be
treff dieses veranlasst hat. Seit dieser Zeit
hat der Verbrauch des Bieres höchst be
deutend zugenommen, und es ist eine grosse
Anzahl von Fabriken sowohl für bayrisches
als auch schottisches und verschiedene an
dere Arten von Bier angelegt worden. In
den letzten Jahren ist Bier von schwedi
scher Zubereitung ein nicht unwesentlicher
Ausfuhrartikel in entlegene Länder gewor
den. Da inzwischen die Zubereitung so
wohl von Bier als auch von Porter gänz
lich von der Besteuerung befreit ist, sei es
direct oder als Malzsteuer, so fehlen die
Materialien zur Berechnung ihrer wirklichen
Grösse. Die Porter-Zubereitung bei nur
einer Fabrik in Göteborg wird im Jahre
zu 600,000 Kannen angegeben.
Obgleich der Hopfenbau im Lande ur
alt ist, wird davon doch weder genug noch
von anwendbarer Art für besseren Biersor
ten producirt, und es werden daher jähr
lich 3 bis 4,000 Centner bayrischer Hopfen
eingeführt.
Essig. Der Essig, welcher in Schwe
den fabricirt wird, wird gewöhnlich aus
verdünnten Branntwein zubereitet. Als Ne
benprodukt bei der Holzdestillation wird
auch etwas Holzessig gewonnen, doch nicht
in anmerkungswerther Menge.
Tabaksfabrikation. Erst seit dem Jahre
1780 giebt es ausführlichere Angaben über
die Thätigkeit der Tabaksfabriken. Damals
betrug die Zahl derselben 72 mit 677 Ar
beitern und einer Zubereitung von 236,616
ft Rauchtabak, 997,033 ft Kautabak und
137,762 ft Schnupftabak oder zusammen
1,371,411 ft Tabak und Schnupftabak. Bis
zum Jahre 1830 war sowohl in der An
zahl der Fabriken als auch der Arbeiter