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Volltext: Schweden : Weltausstellung 1873 in Wien

OH. V. TEXTIL- ÜND BEKLEIDUNGS-INDUSTRIE. 
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doch vielleicht jetzt nicht mehr in dem 
Grade wie früher; dies ist grösstentheils 
eine Folge der Preisbilligkeit der Maschi- 
nenprodukte. Die Landschaft Angerman 
land in Norrland ist besonders bekannt ge 
wesen wegen ihres Flachsbaues und ihrer 
feinen Leinwand. Der Anfang mit dem Spin 
nen fällt dort wenigstens in die 1740ger 
Jahre. Als Beweis davon, wie fein linne 
nes Garn gesponnen werden kann, mag 
erwähnt werden, dass im Jahre 1758 im 
Kirchspiel Nätra eine Strähne von solchem 
Garn gesponnen wurde, welche 8,000 Fuss 
(2,375 ro ) lang war und 1 Loth (13‘3 Gram 
men) wog. Der ängermanlandsche Flachs 
wird gezogen, ehe er reifen Samen giebt, 
und darauf eigentümlichen Röstmethoden 
im Wasser u. a. m. unterworfen, ehe er 
zu Garn versponnen wird. Für die feine. 
Leinwand, welche in der erwähnten Land 
schaft gewebt wird, zahlt der Staat Prä 
mien (woher die Benennung Prämien- 
Leinwand), und solche Leinwand wird in 
8 Klassen klassificirt; zu den ersten (gröb 
sten) Klasse gehört die Leinwand, welche 
auf einer Breite von 3 Fuss (0'891 m ) 
2,720—2,920 Aufzugsfäden hat; darauf 
werden für jede Klasse 200 Fäden hinzu 
gelegt, sodass die' achte oder feinste auf 
der gleichen Breite 4,120—4,320 Fäden 
hat. Solche Leinwand wird in Lauge 
gebeucht und an der Sonne gebleicht; 
dies aber kann nur im Frühling und Som 
mer geschehen, da die Sonne lange am 
Himmel steht. Darum wird die Leinwand 
in Norrland weisser, weil dort, die Tage in 
diesen Jahreszeiten länger sind. Für baum 
wollene Gewebe ist die chemische Blei 
chungsmethode im Lande gewöhnlicher. 
In Helsingland und Gestrikland (eben 
falls Landschaften in Norrland) ^ wird auch 
viele Leinwand gewebt; doch ist diese 
gewöhnlich gröber als die ängermanland 
sche. Die Zubereitung von linnenen Geweben 
in Ängermanland, die i. J. 1865 1,300,000 
Fuss betrug, ist seit dem gesunken und 
betrug 1871 nur 88,560 Fuss. In Hel 
singland und Gestrikland betrug im letzt 
erwähnten Jahre die Länge der linnenen 
Gewebe 2,500,000 Fuss, im Län Hailand 
87,000 und in 2 anderen Län zusam 
men 47,600 Fuss. 
In dem Län Elfsborg (hauptsächlich 
in dem südlichsten Theil desselben), wo frü 
her ansehnliche Quantitäten von wollenen 
Geweben zubereitet wurden, hat die Baum 
wollen-Industrie, obgleich als Hausthätig- 
keit betrieben, solche Dimensionen ange 
nommen, dass sie fast eine Fabriken-Indu- 
strie ist. Die dortigen Hauswebereien wer 
den nämlich so betrieben, dass gewisse Ver 
leger Garn zu Geweben hergeben, welches, 
nach bestimmten Mustern zu Geweben verar 
beitet, wiederum an sie abgeliefert wird. Auf 
solche Weise beschäftigt mancher Verleger 
2,000 — 3,000 Weberinnen. Diese Haus 
weberei wird mit Rücksicht auf die ver 
schiedene Beschaffenheit derselben unter die 
verschiedenen Orte getheilt, sodass in einer 
Gegend die am gewöhnlichsten vorkom 
menden Kleiderzeuge, in einer andern baum 
wollene Zeuge, Tücher oder Hosenzeuge, in 
einer dritten ausschliesslich Gardinenzeuge, 
in einer vierten gröbere wollene Gewebe 
untermischt mit Haar, wie Pferdedecken, 
Matten u. dgl., in einer fünften Drillich 
zubereitet werden u. s. w., wodurch die 
Arbeitsgeschicklichkeit vermehrt wird. Der 
Werth der Fabrikation dieser Art dürfte 
dort jährlich 6—8 Mill. R:dr betragen. In 
der letzten Zeit sind dort auch Jaqquard- 
und Kunstweberei eingeführt. 
Seidenfabrikation. Die schwedische 
Seidenfabrikation ist eine Industrie von der 
Art, welche Jahrhunderte lang sich ohne 
Veränderung beibehalten hat von den Zeiten, 
da die Regierenden es für einen National 
gewinn hielten, um jeden Preis jede Art 
von Industrie in dem eigenen Lande her 
vorzurufen. 
Schon vor dem Jahre 1673 gab es eine 
Seidenfabrike mit 50 Stühlen in Stockholm, 
und in diesem Jahre wurden besondere 
Privilegien zu einer solcheir in Göteborg 
bewilligt. Nach den unglücklichen Kriegen 
CaiTs XII führte die Fabrikation nur ein 
kränkelndes Leben, hob sich aber wieder 
zu einer gewissen Bedeutsamkeit unter dem 
eifrigen Schutz- und Prämiensystem, wel 
ches um 1760 florirte. In diesem Zeit 
punkte soll die Anzahl der Seidenarbeiter 
auf beinahe 2,000 gestiegen sein. Allmäh 
lich verminderte sich diese Zahl, die Fa 
brikation aber hat sich ununterbrochen bei 
behalten unter allen Veränderungen in den 
Zollgesetzen u. a., welche neuere Zeiten her 
beigeführt haben. I. J. 1845 waren 18 
Seidenfabriken mit 600 Arbeitern in Gang 
und lieferten Fabrikate zu einem Werthe
	        
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