Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
18. Jahrgang. Wien, 1. Februar 1926. Nr. 3.
Antiquariat und Büefiemersf eigerungen,
‘Uon JJZartin ‘Breslauer (‘Berlin).
(Schluß.)*
Eine treffliche Preisbemessung sollten die Bücher
versteigerungen bieten, vorausgesetzt, daß sie so gehand-
habt werden, wie es notwendig ist, und damit komme
ich zu einem Hauptpunkt meiner Erörterung. Die
Bücherversteigerungen, wie sie sich in den letzten Jahren
entwickelt haben, werden bei uns zum Teil falsch ge-
handhabt, nicht allein etwa durch die Schuld des Buch
handels. Die Wichtigkeit der Preisfeststellung durch
das öffentliche Ausbieten erhellt daraus, daß ihre Er
gebnisse oftmals als Unterlagen für den freihändigen
Verkauf dienen. In freihändigen Verkaufskatalogen
wird auf sie oft genug Bezug genommen. Ferner gibt
es in Deutschland, ebenso wie in Frankreich, England
und Amerika, im kleineren Umfange auch in Dänemark,
Verzeichnisse, zum Teil umfangreiche Bände, die Jahr
für Jahr die in den Bücherversteigerungen erzielten
Preise wiedergeben. Für England, den bedeutendsten
Markt für Bücherversteigerungen, sogar zwei verschiedene
Veröffentlichungen dieser Art. Woraus die Wichtigkeit
dieser Auktionsergebnisse hervorgeht. Abgesehen davon
ist es Sitte, die Preise bedeutender Versteigerungen in
besonderen Listen zu drucken. An der Hand dieser
Materialiensammlung wird es dem sachverständigen Be
urteiler erleichtert, den Wert eines Buches festzustellen.
Was bei uns nicht genug beachtet wird, das ist
die unterschiedliche Erhaltung zwischen den Exempla
ren desselben Buches. Die Erhaltung bringt es zuwege,
daß der vielfache Preis für ein Exemplar gezahlt wird,
nur weil es in einem besonderen Einband oder in
einem Einband der Zeit ist, weil es den Original
umschlag hat, weil es ohne Flecken ist, während die
meisten Exemplare solche infolge mangelhaften Papieres
aufweisen, weil es unbeschnitten oder gar unaufge-
schnitten ist, und was dergleichen Dinge mehr sind.
Wollte man den Preis eines solchen besonderen
Exemplars zur Grundlage für den eines minderen
nehmen, sokommt man zu vollkommen falschen Schlüssen.
Das eine kann mit 1000 Mark billig, das andere mit
100 Mark teuer bezahlt sein. Darum sind auch Be
richte über Preisergebnisse wertvollerer Stücke, in denen
nichts über die Erhaltung gesagt wird, für diejenigen
bedeutungslos, die nicht wissen oder feststellen können,
wie sah das Exemplar aus, dessen Preis hier mitge
teilt wird. Trotz aller Regel- und Gesetzmäßigkeit in
* Siehe Nr, 2 der „Internationalen Sammler-Zeitung“.
der scheinbar willkürlichen Handlung, die eine Bücher
versteigerung darstellt, sind ihre Ergebnisse aber ab
hängig von vielen Umständen, als da sind: Verbind
ungen des Versteigerers, genügende Verbreitung des
Kataloges an die richtigen Stellen, von der Jahreszeit
und dem Ort, an dem sie stattfindet, von der Lage des
Geldmarktes, davon, ob die Bücher, die angeboten
werden, in letzter Zeit selten oder häufig auf den Markt
gekommen sind, von den mehr oder minder günstigen
Versteigerungs*Bedmgungen (Aufschlag, Kredite für
Wiederverkäufer) usw. Von alledem ergibt die Ver
steigerung ein genaues Bild.
Darum ist es grundsätzlich irrig, daß die Stelle
des Berliner Polizeipräsidiums, der die Bücherverstei
gerungen unterstellt sind, fordert, daß dem Katalog
Schätzungspreise beigegeben werden. Soweit mir be
kannt ist, genießt eine einzige Berliner Firma das
Vorrecht, keine Schätzungsliste auszugeben. Wieso ist
mir unbekannt. Die Forderung, dem Bücherverzeich
nis eine Schätzungsliste anzufügen, wurde erst nach
dem Kriege aufgestellt. Es ergab sich daraus folgendes:
der eine Buchhändler schätzte sehr niedrig, hier, um
nicht die Waren ungerecht emporzuschrauben — denn
die Schätzungspreise beeinflussen den Käufer ganz er
heblich —, dort, um als nicht zu (euer zu gelten, dort
wiederum, um zum Kauf zu veranlassen. Dieses System
führte dazu, daß den nicht anwesenden Käufern, selbst
wenn sie Gebote abgaben, die über die Schätzungs
preise hinausgingen, die wenigsten Nummern zufielen.
Derjenige, der im Gegensatz hierzu hohe Schätzungen
gab, die den Preisen des freihändigen Verkaufs gleich
kamen oder sie gar übertrafen, schreckte zum Schaden
des Besitzers — zum Teil die Käufer ganz ab, zum
Teil veranlaßte er zu übermäßigen Angeboten, zum Teil
zu solchen unter der Schätzung, die aber immer noch
zu hoch waren. Man muß sich dabei vor Augen halten,
daß die Nachkriegszeit viel neue Sammler infolge des
Schwankens des Geldwertes und der Unübersichtlich
keit des Marktes des rechten Urteils entbehrten und
entbehren mußten. Durch diese Schätzungen geschieht
nun das Gegenteil von dem, was das Polizeipräsidium,
das Ordnung in die Ungewißheit bringen will, erreichen
möchte. „Taxen sind Faxen" sagt ein altes Sprich
wort. Der Zweck der Versteigerung ist, die Marktlage
aufzuhellen, d. h. durch die Ergebnisse die zeitgemäßen