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Volltext: Abtheilung der Tunesischen Regentschaft, Welt-Ausstellung 1873 in Wien

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Der Bey richtet gewöhnlich alle Bechtssachen von leichter 
Lösung, ob civil oder verbrecherisch, in summarischer Weise; die 
jenigen, welche mehr oder weniger schwierig sind, werden von dem 
Bey an den Sciarah gesandt, um nach dem strengen Rechte und 
durch eine formelle Gerichtsverordnung erledigt zu werden. Alle 
Klagen, welche sich auf Nachlassenschaften beziehen, oder auf 
Heirathen, auf Minderjährigkeiten, auf Vormundschaft, Erbschafts- 
theilungen, auf Familiengüter (Fidei-commis) und religiöse Institute, 
sind den geistlichen Richtern und dem Sciarah Vorbehalten. 
In Strafsachen gibt es keine öffentliche Klage als für das Räuber 
wesen. In allen anderen Fällen, selbst bei Todschlag, gebührt die 
Klage dem Beschädigten oder seinen directen Nachfolgern, welche, 
in jedem Streitfälle, mit dem Delinquenten sich vergleichen, sowie 
ihm auch ohne Bedingungen verzeihen können; und dieses genügt, 
um den Angeklagten von jeder Strafe freizusprechen. 
Es ist übrigens noch zu bemerken, dass, wenn das Vergleichen 
oder die Verzeihung vor der Verurtheilung stattfindet, der Angeklagte 
ganz frei bleibt; geschieht dieses aber erst nach der Verurthei 
lung, so ist diese von Rechtswegen nichtig, und der Angeklagte hat 
nur eine zeitweilige Gefängnissstrafe auszustehen, zur Befriedigung 
der Gesellschaft, je nach dem Willen der Civil-Behörde, was man im 
arabischen als politische Strafe bezeichnet. 
Die Rechtsangelegenheiten der Europäer gegen Muselmänner 
kommen vor den Bey oder den Statthalter, und die der Einheimischen 
gegen die Europäer kommen ebenfalls zuerst vor den Bey, welcher sie 
nach vorangegangenem Urtheilsspruch an die betreffenden Consulate 
zurückweisen kann, mit der Aufforderung, Gerechtigkeit auszuüben. 
Wenn es sich um Handelsangelegenheiten handelt, so hat der 
Tunisier, ob Kläger oder Geklagter, in Folge eines Artikels des 
Vertrages von 1830, welcher zwischen Frankreich und Tunis ab 
geschlossen wurde, das Recht, eine Commission einberufen zu lassen, 
die aus zwei europäischen und zwei muselmännischen Handelsleuten 
besteht, wovon die zwei letzten den angesehensten Bürgern ange 
hören, unter dem Präsidium des Amin, d. h. des Oberhauptes der 
angesehensten Bürger.
	        
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