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Nur auf dem Gebiete der Kunstindustrie und gewisser
Zweige der Kunst hat es einen Factor gegeben, der dem Ein
fluss des germanischen Geistes selbst auf vaterländischem Boden
hemmend in den Weg getreten ist, und das war die Präponde-
ranz des französischen Geschmackes, die unbestreitbare Superio-
rität der französischen Kunstindustrie. Die Macht dieses Ein
flusses insbesondere auf die öffentliche Meinung lastete wie ein
Alp auf der deutschen Kunstindustrie, insbesondere auf der
österreichischen, und erschwerte jeden Versuch zur Emanci-
pation. Die öffentliche Meinung misstraute auf diesem Gebiete
dem Genius des deutschen Arbeiters, sie acceptirte ein Werk
der Kunstindustrie nur unter französischer Etiquette, kam es
aus Paris, so war es gut; fehlte wenigstens der Schein des
Französischen, so wurde es verworfen. Es giebt Kaufleute hier
in Wien, welche die Spitzen , die unsere braven Deutschen im
Erzgebirge arbeiten, in Paris kaufen, und hier für französische
Spitzen verkaufen, die, wie es mir begegnete, die Webereien
Giani’s für französische Waare hielten, weil sie ihnen gefielen,
und ähnliches mehr. Die Engländer haben sich in den letzten
Jahrzehenden bereits von der Bevormundung des französischen
Geschmackes befreit, Wien hat grosse und erfolgreiche An
strengungen gemacht, seine kunstindustrielle Individualität, um
mich so auszudrücken, von der gedankenlosen Nachahmung
französischer Vorbilder zu befreien und sich auf eigene Füsse
zu stellen. Das österreichische Museum war die erste Anstalt,
die nicht nur in Oesterreich, sondern auch in Deutschland
dies Ziel mit Bewusstsein verfolgte; das deutsche Volk aber
wird erst durch die erschütternden Ereignisse der Gegenwart
von dem Drucke der romanisch-französischen Präponderanz auf
kunstindustriellem Felde befreit werden. Die Consequenzen
dieser historischen Thatsache werden sich unabwendbar voll
ziehen.
Aber trotzdem wird es gut sein, sich keinen trügerischen
Illusionen hinzugeben. Im politischen und militärischen Leben
giebt es Feinde, im wissenschaftlichen, künstlerischen und ge
werblichen nur Rivalen; der Wettstreit der Nationen auf