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J. Steiger-Meyer in Herisau.
gehend ist; der von den europäischen Nachbarn verweigerte Absatz wurde
in den Colonien, in Indien, Japan, Afrika und Amerika gesucht und
Pioniere ausgesandt, welche die Bedürfnisse dieser Länder studiren und
den Verkauf der in der Heimath nachgeahmten Fabrikate an die rohen
Naturvölker vermitteln mussten.
Der Fabrikant war fleissig, vermied unnützen Luxus und hohe
Geschäftsspesen, und verwendete sein Erspartes für die Verbesserung
seines Geschäftes. Der Arbeiter trieb «eben seinem industriellen Berufe
meistens etwas Landwirthschaft, war sehr genügsam und strengte sich
an, auch hei spärlichem Lohne noch etwas zu erübrigen.
Das Capital in den grossem Städten vermittelte den Import der
Rohstoffe und unterstützte die intelligenten, fleissigen Industriellen
durch Credit. Später schritt man zur Gründung von Aclienbanken,
welche die Ersparnisse der Landwirthschaft, des Kleinverkehrs etc. ein
sammelten, die Industrie damit unterstützten und es der letztem mög
lich machten, das Benefice des Zwischenhändlers zu umgehen und sich
durch direkten Bezug der Rohstoffe zu befähigen, der wachsenden Con-
currenz die Spitze zu bieten. Auch die Credite, welche Schweizer Ban-
quiers in Paris und London der Industrie des Heimathlandes gewährten,
waren eine sehr bedeutende Unterstützung für die Ermöglichung des
Absatzes nach fernen Colonien, wo das Geld oft mehr als ein Jahr en-
gagirt blieb, bis es wieder zurückkam.
Wir haben früher bemerkt, dass verschiedene wichtige Industrie
zweige sich gegenwärtig in keiner günstigen Lage befinden. In den
letzten Jahren sind allerdings die Zolltarife verschiedener europäischer
Staaten ermässigt worden, allein bei den heutigen Fabrikationsverhält
nissen ist für den grossen Import schon ein Zoll von 10 °/o der Prohi
bition fast gleichkommend; nur Waaren, bei denen Geschmack und Feinheit
der Qualität eine Hauptrolle spielen, können für ein regelmässiges Geschäft 10%
Zoll ertragen.
Die ausserordentliche Vermehrung der Eisenbahnen und des inter
nationalen Verkehrs haben in den letzten Jahren den Preis der Lebens
mittel aller Länder so weit ausgeglichen, dass die Arbeitslöhne nur noch
unbedeutend differiren. In den Fabriken des Continents wird Frauen
arbeit durchschnittlich mit Fr. 9 — 14 per Woche, Männerarbeit mit
Fr. 15—22 bezahlt. Die letzten 8 Jahre haben im industriellen Maschi
nenwesen so wenig Neues gebracht, dass gut eingerichtete Fabriken in allen
Ländern so ziemlich auf der gleichen Stufe stehen. Auch im Ankauf des
Rohstoffes machen Transportspesen und Zölle nur einen sehr unbe
deutenden Unterschied aus. Die vermehrte Coneurrenz hat den Netto
nutzen auf den meisten grösseren Artikeln auf ein Minimum reduzirt.
Auch die Schweiz hat keine billigeren Arbeitslöhne mehr als die
andern Länder des Continentes. Sie hat den Vorsprung, welchen sie