Reflexionen.
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früher durch rasches Einführen der neuesten englischen Erfindungen
besessen hatte, verloren. Die Unregelmässigkeit der Gebirgswässer zwang
viele Fabriken, dem Wassertrieb noch die Dampfkraft beizufügen, deren
Bedarf an Kohlen, deren Verzinsung und Amortisation eine tiefe Lücke
in den Jahresnutzen einreisst. Namentlich der hohe Preis der Kohlen
ist in vielen Etablissementen ein bedenklicher Factor geworden; die
Schweiz hat von allen Industriellen Ländern die theuersten Brennmate
rialien; gleiche Fabriken in England, Belgien, Rheinpreussen, Böhmen
haben schon am Unterschied der Kosten von Brennmaterial ein hübsches
Benefice voraus. Die Kohlenconsumation der Schweiz wird auf circa
20 Millionen Franken veranschlagt; das gleiche Quantum würde in den
benannten Ländern blos die Hälfte bis höchstens zwei Drittheile so viel
kosten.
Die schweizerische textile Industrie verdiente daher in den letzten 10
Jahren bei Weitem nicht so viel als man im Allgemeinen glaubt. Der überall
erwachende Sinn für Verschönerung der Städte hat allerdings die frühere
Einfachheit etwas verdrängt und die reicheren Industriellen veranlasst
sich schöne Villas zu bauen, allein diess ist meistens entweder in den
Fünfziger Jahren oder durch glückliche Spekulation in den Rohstoffen
erworbenes Geld.
Rechnen wir die günstigen und ungünstigen Conjuncturen der
letzten 10 Jahre ineinander, so ergibt sich auf dem Umsatz, nach Ab
zug der Gapitalzinsen, Geschäftsspesen und Amortisationen, und mit
Ausschluss der Spekulation auf den Rohstoff, ein durchschnittliches
Netto-Fabrikations-Benefice von kaum 5 °/o.
Grosse Zweige, wie glatte Seidenstoffe, erzielen kaum eine höhere
Moyenne als 3 > ; Druckwaaren eher weniger; Spinnerei und Weberei
standen sich besser, dürften aber schwerlich eine höhere Nettorendite
als 6 °/o aufweisen; sogar Seidenbänder lieferten keine höhere Moyenne
als 5 °/o.
Es mag diess dem Publikum, welches von Profiten von 20—50 /o
und fabelhaften Einkommen träumt; dem Philantropen der hinter jedem
Industriellen einen Menschen sieht, welchen der Materialismus und der
Egoismus aller hohem Gefühle der Nächstenliebe beraubt hat; dem
internationalen Apostel, der seinen Jüngern vorpredigt wie die Träger
des Gapitals, die Fabrikanten, diese Feinde der Menschheit, sich aus dem
Schweisse des Arbeiters Reichthümer sammeln, um sie in Saus und
Braus wieder zu verprassen — wohl als sehr unglaublich Vorkommen,
allein nähere Erkundigungen werden sie von der Richtigkeit dieser Behauptung
überzeugen. Nachdem es leider auch in unserm Vaterlande mancher
orts fremden und einheimischen Demagogen nur zu gut gelungen ist,
die Herzen des Arbeiterstandes durch Unwahrheiten und falsche Vor
spiegelungen zu vergiften, nachdem sogar einzelne Cantonsregierungen
der “ Ansicht sind, die Ausbeutung der Arbeiter durch die Arbeit-