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J. Steiger-Meyer in Herisau.
gelier durch gesetzliche Bestimmungen über Arbeitszeit etc. schützen zu
müssen, ist es gewiss an der Zeit, die falschen Illusionen zu zerstören
und die Situation klar und wahr darzulegen wie sie ist.
Oie Lage des schweizerischen Fabrikanten ist noch nie eine begünstigte
gewesen: noch nie hat sich Einer ohne schwere Arbeit, ohne Ringen und Schatten
emporarbeiten können; heute ist aber die Lage mancher Zweige entschieden
schwieriger als je.
Wir zählen sehr viele Industrielle, welche mit sorgenvollem Herzen
daran studiren wie sie ihren Geschäften die frühere Ergiebigkeit wieder
verschaffen, dem in Gebäulichkeiten und Maschinen vergrabenen Vermö
gen seinen Werth erhalten können und die nur zu froh sein würden,
ihr Geschäft irgend einer Produktivgesellschaft oder einem sonstigen
humanilären Consortium, das sie beneidet, abzutreten.
Die Situation der schweizerischen Industrie ist allerdings noch
keine verzweifelte; sie wird schon wieder neue und verbesserte Wege
finden; wenn Fabrikant und Arbeiter im Bewusstsein gemeinsamer Interessen
friedlich Zusammenarbeiten; wenn der Arbeiter seinen Chef um die
bessere Stellung nicht beneidet; wenn der Arbeitgeber in seinem Arbeiter
den gleichberechtigten Mitbürger achtet und für sein materielles und sitt
liches Wohl nach besten Kräften besorgt ist. Aber die Lage kann für
manche Zweige eine verzweifelte werden, wenn der Fabrikant durch Arbeiter
und Gesetzgebung in seinem schwierigen Kampte mit dem in jeder Beziehung
mehr begünstigten auswärtigen Concurrenten gehemmt, seine Ausdauer und sein
guter Wille gelähmt werden.
Es ist gewiss hohe Zeit, dass die Missverständnisse durch klare
Erkenntniss der Sachlage gehoben werden, dass sich manche Zweige
unserer textilen Industrie mit aller Energie aus der jetzigen Situation
herauszuarbeiten suchen.
Wenn wir uns fragen, welcher Weg für den letztem Punkt ein
zuschlagen sei, so kommen wir zu folgendem Schlüsse.
Wir sind im Allgemeinen zu sehr auf das Niveau des Gewöhnli
chen, ja in manchem Zweige unter das Mittelmässige gesunken. Die
geringe Waare ist immer die unrentabelste; Alle die damit zu thun
haben können nur wenig verdienen; der Engländer, welcher mit dem
gleichen Capital einen viermal grossem Umsatz macht, kann darin
seine Rechnung finden, aber eine in beschränkten Limiten sich bewegende
Industrie nicht.
Der einzige Weg, der uns offen bleibt, ist ein energisches Auf-
raffen für den Fortschritt, ein beharrliches Anstreben des Besten, Schönsten
und Vollkommensten. Wir müssen so viel wie möglich von den billigen
Massenartikeln, bei denen dem Arbeiter nur ein geringer Lohn bezahlt
werden kann, wo Packung und Transportspesen das Benefice auf Null
reduziren, absehen und diejenigen Fabrikate in’s Auge fassen, wo die Intelli
genz, der Geschmack und die Genauigkeit eine Hauptrolle spielen.