Reflexionen.
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Wir sind befähigt dieses Ziel zu erreichen; der schweizerische
Arbeiter ist wohl etwas langsam, allein er ist gelehrig, durchschnittlich
intelligent und strebsam, und kann bei gutem Willen zu' tüchtigen Lei
stungen gelangen. Der schweizerische Fabrikant ist ausdauernd und
praktisch; er war aber bis anhin zu sehr Empyriker und zu sehr blos
Effekt und Billigkeit anstrebend; es gilt durch ausgezeichnete Fachschulen
die höchste Ausbildung, durch Sammlungen den Sinn für das Schöne
zu erwerben.
Wir freuen uns, dass Zürich und Winterthur in dieser Richtung
schon die Initiative ergriffen haben, und wünschen nur, dass die Haupt
aufmerksamkeit dem praktischen Element und nicht blos oberflächlichen
Theorien gewidmet werde.
Ein weiterer Factor, dem bis anhin viel zu wenig Aufmerksam
keit geschenkt wurde, und der in erster Linie der höchsten Vervollkomm
nung bedarf, ist die Ausrüstung, Färberei, Bleicherei und Appretur. Wir
stehen hier in keiner Branche, ausser der Seidenfabrikation, auf der
Höhe der Zeit, geschweige im Fortschritt. Es gibt allerdings einige Eta-
blissemente, welche für die neuesten Einrichtungen grosse Summen ver
wendet haben, allein diess ist blos der Anfang. Wir müssen ^ns mit
dem Besten, was irgend ein anderes Land leistet, messen können; wir
haben da noch viel zu lernen und stehen in keinem Artikel auf der
Höhe des Auslandes, trotzdem die in der Schweiz bestehenden Preise
durchschnittlich höher sind.
Die Hauptgründe, warum wir in diesem Zweige allgemein so zurück
sind, erkennen wir theils in übelverstandener Oekonomie, theils im Mangel
an richtigem Zusammenwirken derjenigen, welche sich der gemeinsamen
Interessen für den Fortschritt hätten bewusst werden sollen.
Anstatt nicht blos Maschinen anzuschaffen, sondern auch gleich
zeitig tüchtige Fachleute im Auslande zu holen, begnügte man sich sehr
oft, eine ältere, gebrauchte Maschine billig anzukaufen, im besten Falle
eine Reise zu machen, sich in einige Etablissemente Eintritt zu ver
schaffen und dann auf empyrischem Wege das gewünschte Resultat an
zustreben.
Jene Zeiten, wo man auf diesem Wege zu einem genügenden Ziele
gelangen konnte, sind vorbei; es gilt jede Neuerung mit Ernst und mög
lichster Gründlichkeit anzufassen; sind die Kräfte des Einzelnen zu
schwach, so sollen die dabei Betheiligten zusammenstehen.
Ein für unsere Industrie sehr wichtiger Punkt, dem noch viel
grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte als es bisher gesche
hen, ist der Waarentransport zwischen der Schweiz und dem
Meere.
Derselbe beträgt vielleicht 90 °/o des Exportverkehres; es ist daher
für uns von allergrösster Wichtigkeit, dass nicht nur möglichst billige,
sondern auch möglichst prompte Verbindungen hergestellt werden.
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