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J. Steiger-Meyer in Herisau.
Der vermehrte internationale Verkehr und der Telegraph haben
in äusserst wohltbätiger Weise auf den Handel eingewirkt. Durch die
Verkürzung der grossen Distanzen und die Gewinnung der durch die
Correspondenz in Anspruch genommenen Zeit sind die Bestellungen re
gelmässiger und weniger stossweise.
Früher musste z. B. der Amerikaner seinen Bedarf für eine Sai
son auf einmal bestellen, weil eine Nachsendung vom Innern des euro
päischen Continentes vom Datum seines Briefes bis zur Ankunft der
Waare mindestens zwei Monate bedurfte, auch wenn sich die Waare
vorräthig auf Lager befand.
War dann eine Saison gut und wurden die Importe zu günstigen
Preisen geräumt, so bestellte Jeder für die nächste Saison ein stärkeres
Quantum. Europa kam in Bewegung. Die ersten für den Süden be
stimmten Frühjahrslieferungen mussten schon Anfang Dezember abge
hen; für den Norden reichte der Termin bis Ende Januar. Es musste
Tag und Nacht gearbeitet und alle ordentlichen Kräfte angespannt wer
den um die Zeit einzuhalten. Mit Ende Januar war der Sturm vorüber;
nachdem man kaum in den rechten Zug gekommen, sollte man wieder
abstellen; es blieben dem Fabrikanten noch zwei volle Wintermonate
zur Arbeit; was sollte er thun? die in so schönem Schwung befindliche
Fabrikation reduziren? Konnte bei den günstigen Aussichten ein Risico
sein dieselbe fortlaufen zu lassen und an einen in Amerika etablirten
guten .Freund noch eine Partie in Consignation zu schicken?
Die nächste Saison brachte dann ziemlich sicher eine Ueberfüllung
des Marktes; die amerikanischen Importeure, welche mit ihrer Waare
zuerst auf dem Platze waren, machten gute Preise; der letzte Importeur,
der spekulative Fabrikant, kam zum Nachsehen und opferte nicht selten
auf seiner Sendung das Benefice des ganzen Saisongeschäftes.
Der Telegraph und die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes haben
die Verkaufssaison ausgedehnt, gestatten dem europäischen Industriellen
längere Fabrikationszeit und geben ihm keine Veranlassung mehr zu
Consignationen, welche den legitimen Grossisten in seinen Verfügungen
durchkreuzen, den Markt unregelmässig machen und deren Gonsequenzen
schliesslich am allerempfindlichsten auf den Fabrikationsplatz selbst zu
rückfallen.
In je kürzerer Zeit die Waare vom Fabrikationsplatze zum Con-
sumenten gebracht werden kann, desto länger wird der Termin, welchen
man dem Produzenten für die Erstellung einräumen kann.
Es ist daher von der grössten Wichtigkeit für die Schweiz, dass
sie den Nachtheil eines Binnenlandes durch prompte Spedition möglichst
ausgleiche.
Die Engländer zeigen auch in diesem Punkte ihren praktischen
Sinn; sie gehen vom Prinzipe aus, es sei Zweck und erste Aufgabe der
Eisenbahnen, dem Handel und der Industrie zu dienen und dieselben so