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Reflexionen. gg
viel als möglich zu fördern. Auf dem Gontinente dagegen kennen die
Eisenbahnen im Allgemeinen keine andere Aufgabe als den Handel zu
Gunsten fetter Dividenden möglichst auszubeuten und sich im Uebrigen
um commerzielle Interessen möglichst wenig zu bekümmern.
Wenn ein in Glasgow, Bradford, Manchester, Nottingham oder Lon
don etc. wohnender Fabrikant am Freitag ein Telegramm von New-York
erhält, sofort eine Partie Waare zu verschiffen, und er dieselbe vor 6 Uhr
Abends der Bahn übergibt, so trifft sie in ganz gewöhnlicher Fracht am
nächsten Morgen in Liverpool ein und kann noch gleichen Tages verla
den werden. Rechnen wir 13 Tage für die Ueberfahrt, so erhält der
amerikanische Importeur die Waare in 14—15 Tagen vom Datum seiner
Bestellung, also fast in der gleichen Zeit, welche ein Gollo in ordinärer
Fracht von Plauen nach Berlin, von Mülhausen nach Havre oder von
St. Gallen nach Genf braucht.
Wenn ein Grossist in London nach Manchester um Waare tele-
graphirt, so wird sie bei zeitiger Aufgabe am Abend, so sicher wie ein
Brief am nächsten Morgen vor 10 Uhr, in seinem Magazin abgeliefert;
bestellt er aber die gleiche Waare in Winterthur, so dauert es in ge
wöhnlicher Fracht mindestens 14 Tage, bis er sie erhält, während die
selbe bei rationeller Beförderung unbedingt in 4—5 Tagen am Bestim
mungsorte anlangen könnte.
Die Gonsequenzen eines solchen Nachtheils sind klar; jeder Gros
sist reduzirt sein Lager auf das Nothwendigste, wenn er das Verkaufte
rasch ersetzen kann; er wird dem weit entfernten Fabrikanten nur dann
bestellen, wenn er dessen Fabrikate entweder nicht in der Nähe findet,
oder wenn er ganz bedeutend billiger kaufen kann; bei einer Differenz
bis auf 5 % wird er in den meisten Fällen der promptesten Lieferung
den Vorzug geben.
England kennt das französische Ausbeutereisystem von petite,
moyenne, grande vitesse, grande accöleree, messagerie und express nicht;
es hat nicht einmal den Unterschied von gewöhnlicher Fracht und Eil
gut; der englische Waarentransport hat blos eine einzige Schnelligkeit.
Wir haben ein grösseres Interesse als irgend ein anderes Reich, den
Nachtheil eines Binnenlandes und der grossen Entfernung von unseren
grössten Absatzgebieten durch die Erstellung günstiger Verkehrsverhält
nisse möglichst auszugleichen.
Die Frachten zwischen dem Meere und der Schweiz sind in den
letzten 15 Jahren allerdings wesentlich reduzirt worden; die Geschwin
digkeit, oder vielmehr die Langsamkeit der Spedition blieb aber so ziem
lich die gleiche.
Die einzige geregelte Spedition besteht zwischen Zürich und Mar
seille; wir verdanken der Nordostbahn wöchentlich zwei Spezialzüge,
welche in 4 Tagen nach Marseille laufen, mit den Steamern der Messa
geries maritimes correspondiren und für den Verkehr mit den Häfen des