Reflexionen.
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ist, sei ganz unverhältnissmässig grösser, als das directe in die Hände
der Industriellen gefallene Benefice.
Man nimmt an, der Goldwerth habe sich seit 25 Jahren um ca.
30 °/o vermindert. Wenn mithin Jemand in den Vierziger Jahren ein
Haus zu Fr. 30,000 kaufte und jetzt Fr. 40,000 löst, so bekommt er
blos die der Goldentwerthung entsprechende Summe. In den industriel
len Centren hat aber der Werth von Grund und Boden und Gebäulich
keiten bedeutend mehr aufgeschlagen, und der effective Gewinn an Immo
bilien beträgt Hunderte von Millionen. Wenn wir nur den Aufschlag
des Grundeigenthums der grösseren Städte wie Zürich, Basel, Bern,
Lausanne, Genf mit Umgebung in’s Auge fassen, so ergibt sich nicht
blos ein doppelter, sondern ein drei- und vierfacher Mehrwerth innerhalb
30 Jahren.
Es ist nun nicht anzunehmen, dass die nächsten Jahrzehnte nur
annähernd eine ähnliche Steigerung bringen werden; man ist im Gegen-
theil der Ansicht, dass bei einem anhaltend schleppenden Geschäftsgang
binnen kurzer Zeit viele Werthe wieder bedeutend sinken müssten, weil
sie im Verhältniss zur Rentabilität zu hoch getrieben worden sind.
Auch die Lawlwirtlischaft hat sich in den letzten 30 Jahren
ausserordentlich bereichert; wir glauben aber, dass auch in diesem
Zweige die nächsten Jahrzehnte keine so günstigen Resultate mehr lie
fern werden. Der Hauptfortschritt bestand auch bei der Landwirthschaft
im Mehrwerth des Bodens, im Aufschläge des Weines und des Holzes
und der Milchproducte. Der Culturboden hat indessen einen Preis er
reicht, der im Durchschnitt keine hohe Rendite und keinen viel weitern Auf
schlag mehr zulässt.
Im Weitern ist zu beachten, dass gerade die Steigerung der Immo
bilien auch den Preis aller Lebensbedürfnisse bedeutend erhöht hat und
durch den vermehrten Wohlstand mehr Ansprüche für Bequemlichkeit und
Genuss gemacht werden. Man rechnet, dass die Bedürfnisse sich seit 30
Jahren um ca. 50 °/o vertheuert haben; wir dürfen aber annehmen, dass
die durchschnittlichen Familienausgaben sich in, den Städten fast ver
dreifachten. Aus diesem folgt, dass wir von der früheren strengen Oe-
konomie abgewichen und kleinere Ersparnisse gemacht werden als früher.
Aus Allem dem ist zu schliessen, dass wir wahrscheinlich am Schlüsse
einer äusserst günstigen Periode stehen und die Aeufnung unseres Nationalreich
thums im nächsten Decennium viel langsamere Fortschritte machen wird, als in
den drei vergangenen, indem weder für die Industrie, noch die Landwirth
schaft, noch für einen weiteren Aufschlag der Immobilien günstige Aus
sichten vorhanden sind. Es mögen natürlich schon Einzelne viel ver
dienen, diess fällt aber ausser die allgemeine Beachtung.
Wir sind mithin für die Zukunft fast mehr als für die Vergangenheit blos
auf die Industrie, auf die Benutzung und Entwicklung unserer geistigen und leib-