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J. Steiger-Mej'er in Herisau.
liehen Kräfte angewiesen, wir dürfen und können daher industriell nicht still
stehen, sondern müssen uns neu aufraffen, um nirgends zurückzubleiben.
Länder wie Amerika, England, Frankreich etc. deren Erde einen
ungeheuren Reichthum von Kohlen, Metallen, Petroleum etc. birgt, de
ren Bodenproducte nicht hlos für die Ernährung des ganzen Volkes ge
nügen, sondern noch für Hunderte von Millionen Ueherschuss abwerfen,
stehen viel unabhängiger da als die Schweiz, deren Erde ohne solche
Reichthümer und deren Boden kaum für die Hälfte der Bewohner genug Brod
bietet.
Wir haben früher bemerkt, dass die Entwicklung der schweizeri
schen Industrie in hohem Maasse den gutgeleiteten Creditverhältnissen zu ver
danken ist. Auch heute noch kann dieselbe dieser Unterstützung noch
nicht entbehren; sie bilden noch immer einen Hauptfactor für die
weitere Hebung der industriellen Verhältnisse; es ist von allgemeiner
Wichtigkeit, dass unsere finanziellen Kräfte geordnet bleiben, um dem
Handel und der Industrie auch ferner die richtige Unterstützung leihen
zu können.
Es hat auf uns den Eindruck gemacht, als ob manche Bankinsti
tute ihre hohe Aufgabe vergessen und zu sehr die hohen Dividenden zu
ihrem Ziele machen. Die Schweiz besitzt heute einen so hohen Werth
an Actien und Obligationen aller Art, dass in denselben natürlicherweise
ein sehr grosses legitimes Geschäft durch die Hände der Banken gehen
muss; wir glauben aber, dieselben sollten die reine Speculation und das
ihr sehr naheliegende Spiel nicht nur nicht befördern, sondern ihm
geradezu entgegentreten.
Die Erfahrungen der jüngsten Zeit zeigen genügend, dass das Bör
senspiel die directeste Feindin geordneter commerzieller Verhältnisse und com-
merzieller Entwicklung ist. Ueberall, wo sich eine solche Bande von Spie
lern zu einer Macht entwickeln, wo sie das disponible Capital unter ihren
Einfluss bekommen kann, ist die Industrie gehemmt und gefährdet. Ein
bleibender Segen kann sowohl für den Einzelnen wie für ein ganzes Land
nur durch reelle Arbeit errungen werden.
Eine für die Industrie durchaus nicht gleichgültige Erscheinung
sind auch die massenhaften Eisenbahnbauten, welche das bisanhin dem
Handel zur Verfügung gestandene Capital nach und nach bedeutend schmälern
müssen. Die Sache hat um so gerechtfertigtere Bedenken, als nur We
nige dieser neuen Bahnen Handel und Gewerbe wesentlich fördern, im
Durchschnitt eine spärliche Rendite abwerfen werden und voraussicht
lich blos mit Schweizer Capital gedeckt werden können. Die meisten
dieser neuen Anlagen sind nicht blos ein vergrabenes, unrealirbares Ca
pital, sondern die vielen faulen und unlucrativen Anhängsel werden auch
die schöne Rentabilität der altern Bahnen in bedenklicher Weise
schmälern.