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C. Baumann-Zürrer in Zürich.
Obgleich es keinem Zweifel unterliegt, und es der natürliche Lauf
der Dinge ist, dass die Seidenwaaren das durch die Launen der Mode
verlorne Terrain über kurz oder lang wieder zurückerobern werden, so
glaube ich es doch für angezeigt, dass die gegenwärtige Krisis, die unsere
Seidenindustrie gerade wie während der letzten Pariser-Ausstellung, nur
in erhöhtem Masse auch jetzt durchzumachen hat, — unsere Industriellen
nicht nur zu diversen seriösen Reftektionen führen, sondern sie auch
dazu bringen sollte, im gemeinsamen Werke Hand anzulegen, um die
junge Generation, vom Arbeiter bis hinauf zum Fabrikanten, aus der
gegenwärtigen Lethargie allmälig herauszubringen, und sie auf diejenigen
Wege zu leiten, die nöthig sind, wenn wir einerseits uns von der aus
wärtigen Konkurrenz nicht überholen und anderseits die von Zeit zu Zeit
sich in immer kürzeren Intervallen wiederholenden Krisen für uns nicht
immer schärfer und in ihren Folgen unheilvoller werden lassen wollen.
Es handelt sich darum:
Nicht — unsere billigen, einfachen und leichten Stapelartikel,
die von jeher das Fundament unserer Hausindustrie bildeten, und die
man nach wie vorher bei uns suchen wird, zu vernachlässigen, sondern
im Gegentheil an deren Vervollkommnung zu arbeiten und dafür besorgt
zu sein, dass sie nicht durch zu viel Charge in der Färbung, zu viel
Combination in der billigen Herstellung, zu viel Reduktion in den
Breiten und namentlich auch nicht durch zu viel Pfuscharbeit aus der
Stube der Weberin und Stücklegerin (diese arbeiten heutzutage an vielen
Orten noch mit allzu primitiven Utensilien) — nach und nach in Miss
kredit kommen bei denjenigen, die das letzte aber nicht unwichtige
Wort zu sagen haben, bei den Consumenten!
Es wird sich aber auch darum handeln, — und gerade der jetzige
kritische Moment sollte dafür angethan sein, — daran zu denken und
den Gedanken auch zur Ausführung zu bringen, wie wir unser immer
eintöniger erscheinendes Arbeitsfeld erweitern, und der sonst vortheühaft
bekannten Intelligenz unserer arbeitenden Klasse anpassen, — resp. auch
deren Geschmack und Schönheitssinn wecken, bilden und mit Vortheil
auf neu einzuführende Artikel in Anwendung bringen können.
Dieses gleiche Redürfniss vollkommen anerkennend, und im Ge
fühle, dass unsere Seidenindustrie nicht stationär bleiben, sondern vor
wärts schreiten und mit dem Auslande Stand halten solle, hat der
Vorstand der zürcherischen Seidenindustriegesellschaft mit nicht genug
anzuerkennender Energie das Zustandekommen einer Webeschule inso
weit bereits entwickelt, als zur Zeit dafür circa 160,000 Franken *) frei
willige Reiträge gezeichnet worden sind.
Es wird noch Sache eines grossem und eingreifendem Studiums,
und mit diesen und jenen Schwierigkeiten noch verbunden sein, um das
*) Der am 8. Februar 1874 gezeichnete Betrag überstieg schon Fr. 200,000. .