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J. Steiger-Meyer in Herisau.
Wie soll ein vereinzelt stehender Schweizerfabrikant, der vielleicht
mit höchstens 100 Stühlen arbeitet und eigene Färberei und Appretur
haben muss, mit solchen Ländern, welche noch mit Schutzzöllen von
10—15 °/o umgeben sind, arbeiten können?
Es ist allerdings sehr wahr, dass namentlich im Canton Aargau
schon längst für den zeitgemässen Fortschritt mehr hätte geschehen sol
len und fast unbegreiflich, warum die dortigen Fabrikanten nicht schon
vor Jahren zusammengestanden sind, um eine gemeinsame grössere Fär
berei und Appretur zu erstellen.
Bei solchen Situationen, wo es dem Einzelnen unmöglich wird,
den Anforderungen der Zeit und den Fortschritten der grossen fremden
Goncurrenz zu folgen, gilt es die kleinlichen Geschäitsjalonsien zu über
winden, sich der gemeinsamen Interessen bewusst zu werden und zu
sammenzutreten, um die nöthigen Maschinerien»anzuschaffen. Wenn in
dieser Richtung auch nur etwas geleistet worden wäre, so hätten sie sich
nicht im Absatz nach Italien beschränken und sogar in der Schweiz zu
rückdrängen lassen müssen.
Jede Industrie hat für den Absatz im eigenen Lande einen be
deutenden Vorsprung gegenüber dem fremden Fabrikanten, der durch
theure Reisende oder die Vermittlung des Engrosgeschäftes seine Waare
in die Hand der Consumation bringen muss. Wenn der einheimische
Fabrikant den Grossisten überspringt und selbst reisen lässt, so erhält
er gegenüber dem fremden Fabrikanten einen Vorsprung von 10 20 Io,
und ist dadurch auch bei eventuell theureren Erstellungskosten vollkom
men concurrenzfähig, insofern seine Waare der fremden in keinei
Beziehung nachsteht.
Man hat schon oft den Wunsch geäussert, der Bund sollte die
Woll-Industrie durch einen hohem Eingangszoll mehr schützen, allein
abgesehen von der Verwerflichkeit jeder Vertheurung von Fabricaten
durch Schutzzölle, resp. Belastung der Consumation zu Gunsten Ein
zelner, würde eine solche Massregel nicht viel nützen, wenn die Träger
der betreffenden Industrie kein eigenes Bestreben haben, mit den An
forderungen der Zeit Schritt zu halten.
Es ist sehr erfreulich, zu erfahren, dass die beiden grossen Kamm
garnspinnereien in Scbaffhausen gut prosperiren und bereits der Erstel
lung von zwei anderen gleichen Geschäften in Bürglen und Derendingen
gerufen haben. Da die jetzige Schweizer Stofffabrication fast ausschliess
lich Streichgarne braucht, so widmen sich obige Etablissemente mehr
der Fabrication von Strickgarnen und dem Export. In allen textilen
Zweigen prosperiren die Spinnereien durchschnittlich besser als die We
bereien, weil Garne nur mit unbedeutenden. Zöllen belastet sind und ein
weiteres Absatzfeld haben.
Es soll im Projecte liegen, mit der Spinnerei in Bürglen eine me
chanische Weberei zu verbinden; diess würde auch der Anlage einer