Baumwollweberei.
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Durch diese Veränderung der Fabrikation erhielten allerdings eine
grössere Anzahl von Webstfihlen neue Arbeit für die Druckerei. Man
rechnet, dass ungefähr die Hälfte der mechanischen Webereien durch die
Druckereien beschäftigt sind; allein damit wird selbstverständlich auch
ein empfindlicher Druck auf die schweizerische Baumwollweberei ausgeübt,
welche Jahre lang ziemlich regelmässig mit einem schönen Theil ihrer
Stühle für das Eisass die bekannten Jaconats Nr. 70/120— 19/21 Faden
per V 4 Zoll fabrizirt hatte. Der Verkehr der Schweiz mit dem Eisass wird
gestört bleiben, und kann nur noch bei besonderen Gonjunkturen oder
durch äusserst gedrückte Preise genährt werden.
Deutschland war bis in die Fünfziger Jahre ein bedeutender Con-
sument für die feineren schweizerischen Baumwollfabrikate. St. Gallen
und Appenzell lieferten grosse Quantitäten glatte Mousseline, Nanzook,
Jaconat, brochirte Vorhang- und Kleiderstoffe in den Zollverein. Um
jene Zeit begann die sächsische Industrie sich mit aller Energie aufzu
raffen, und vermochte den schweizerischen Import durch den Zollschutz
von circa 10°/o, tüchtige Leistungen in der Fabrikation und in der Appre
tur und durch einen allgemein rationelleren Geschäftsbetrieb nach und
nach zurückzudrängen.
Während die St. Gallische Web-Industrie sich von Jahr zu Jahr
verschlechterte, und schliesslich auf die billigsten und geringsten Artikel
reduzirt wurde, welche weder Kaufmann, noch Fabrikant, noch Weber
einen lohnenden Verdienst Hessen, hob sich die sächsische Industrie bis
zu einer höchst anerkennenswerthen Stufe. Dieselbe ist dem Bedarf
Deutschlands sehr genau angepasst; sie arbeitet wenig nach überseeischen
Ländern, dagegen hat sie einen regen Verkehr mit Bussland und ver
drängt auch dort die Schweizerwaare.
Seit 4—5 Jahren hat in Sachsen ein neuer Artikel, die sogenannte
brochirte Zwirngaze, einen bedeutenden Aufschwung genommen ; dieselbe
wird namentlich für Gardinenstoffe verwendet und hat die gewöhnliche
brochirte Waare grösstentheils aus dem Feld geschlagen; man war bis
jetzt in der Schweiz nicht im Stande, den Artikel in eben so guter Qua
lität zu erstellen, wie Sachsen ihn macht.
Die mechanische Weberei ist namentlich in der Umgebung von
Planen in rascher Ausdehnung begriffen; die Handweber können mit dem
Arbeitslöhne nicht mehr fortkommen und drängen nach Verbesserung;
dadurch wird die Goncurrenz mit dem mechanischen Stuhle immer
schwieriger; der Handstuhl zieht natürlich den Kürzeren und wird von
allen glatten Artikeln rasch verdrängt werden.
Der sächsische Handweber verdient Fr. 8 — 16 per Woche; er
kommt selten höher. Der Stuhl ist meistens sein Eigenthum.
Ungefähr die Hälfte der Weber werden von den Firmen beschäf
tigt, welche Handel und Fabrikation betreiben; die andere Hälfte ar
beitet für kleinere Fabrikanten, welche ihre Waare wieder an Gross
händler absetzen.