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J. Steiger-Meyer in Herisau.
Man rechnet, dass mit einer Maschine per Tag ca. Fr. 10 Brutto
verdient werden müssen; normirt man den Stickeriohn der Handarbeit
auf Fr. 1 per Tag, so kosten 4 Stiche auf einer Maschine von l'/j Zoll
Rapport so viel wie 1 Stich per Hand; ist also der Rapport anstatt 1 x /a
Zoll 6 Zoll, so stellt sich die Handarbeit ebenso billig wie Maschinen
arbeit, resp. die Hand kann mit der Maschine in allen Artikeln concur-
riren, deren Zeichnungen einen grossem Rapport haben als 6 Zoll.
Es bleibt mithin für die Handstickerei immer noch ein schönes
Feld offen und ist sehr zu wünschen, dass dieselbe auch ferner die ge
bührende Beachtung finde.
Als s. Z. in England die Spitzenmaschinen erfunden wurden,
glaubte man allgemein, die Handfabrikation werde nun fast ganz aufhö
ren; es war diess um so wahrscheinlicher als nur ein Kenner Hand- und
Maschinenspitzen von einander unterscheiden kann; allein anstatt unter
zugehen, blüht heute die Handfabrikation von Spitzen mehr als je, in
dem die reichen Damen gerade eine besondere Ehre darein setzen, ächte
Spitzen zu tragen. Es werden Shawls, Polonaises, Tuniques in ächten
Spitzen bis zu Fr. 10,000 das Stück gemacht; die Pariser Abtheilung
hatte sogar ein Spitzenkleid, welches auf Fr. 60,000 gewerthet war.
Wir glauben, dass je mehr das Publicum sich über den Unter
schied zwischen Maschinen- und Handstickerei Rechenschaft geben kann,
die ganz schöne Handarbeit wieder gesucht werden wird. Es liegen so
gar jetzt schon Beweise dafür vor. Vor ca. 10 Jahren brachte ein Eng
länder zufällig einige Stickereien aus einem Kloster in Madeira nach
Hause. Ein unternehmender Geschäftsmann fand die Qualität so aus
gezeichnet schön, dass er glaubte, den Artikel trotz dem hohen Preise
in den Handel einführen zu können. Er reiste nach Madeira, brachte
die richtigen Stoffe und Zeichnungen mit und Iiess sie verarbeiten.
Seither sind diese Madeira Stickereien wirklich zu einem Handels
artikel geworden, und trotzdem sie mindestens 4 Mal mehr kosten als
die beste Maschinenstickerei, so kann der Nachfrage nicht Genüge ge
leistet werden.
Die Schweiz war für Feinstickerei durch 3 Firmen vertreten.
Adolf Niif in St. Gallen bewies durch seine Ausstellung, dass die
ser Zweig in der Schweiz qualitativ allermindestens auf der gleichen
Höhe steht wie früher. Die Jury ertheilte ihm die Fortschrittsmedaille.
Ferner verlieh ihm die Jury von Gruppe 21, Hausindustrie, eine Ver-
dienstmedaille für seine unermüdlichen Bemühungen, die Handarbeit
der Feinstickerei gegenüber der Maschinenstickerei durch neue Stichar
ten, welche die Maschine nicht nacbahmen kann, auszuzeichnen. Die
beiden andern Aussteller, Zellweger-Schoch von St. Gallen und Son-
deregger-Tanner von Herisau erhielten die Verdienstmedaille.
In der Feinstickerei geht noch immer der grösste Theil der Fabri
kate nach Paris, welches Stoffe und Zeichnungen nach der Schweiz schickt