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J. Steiger-Meyer in Herisau.
Eine Summe, wie die oben erwähnte, müsste-mancher Familie,
mancher Gemeinde und besonders auch der auf den einheimischen Gon-
sum angewiesenen Industrie zum Wollte gereichen : Leute, die kein Ver
mögen und keinen Verdienst haben, sind auch nicht consumfähig. Es
wäre diess jedenfalls ein grösserer Segen als die berühmte Fremden
industrie, welche das Volk demoralisirt, zur Genusssucht verleitet, jeder
ehrlichen, consequenten Arbeitslust entfremdet, und bei der sich das
Sprüchwort bewahrheitet: « Wie gewonnen, so zerronnen.»
Die Garclinenstickerei der Schweiz hat wesentlich zugenommen;
die vielen Bauten und die Verschönerung der grossen Städte brachten
auch der Schweiz noch ein Scherflein durch stärkeren Bedarf an Gardi
nen; es war sehr merklich fühlbar, dass mehr reiche Waare verlangt
wurde als früher; es lässt sich ja kein fein möblirter Salon denken ohne
reich gestickte Tüllgardinen.
Die Ausstellung selbst bot nichts Schöneres und nichts Besseres
als was schon an den Ausstellungen von Paris und London gesehen
werden konnte; man hatte die speciell angefertigten Schaustücke wegge
lassen und sich auf die practischen Fabrikate beschränkt. Es wäre aber
ein Irrthum, desshalb zu glauben, die Fabrikation habe Rückschritte ge
macht; die Fabrikate der früheren Ausstellungen standen durchschnitt
lich Uber den reellen Leistungen, diejenigen in Wien gehören blos zum
Besten was heute courant fabrizirt wird. Das reichste Dessin wurde für
America bestellt und ziert den Empfangssaal des Weissen Hauses in
Washington.
Von den 6 Ausstellern erhielten 5 die Verdienstmedaille und einer
war hors concours.
Die schweizerische Gardinenstickerei hat seit 1867 mehrere inte
ressante Schwankungen durchgemacht, und befindet sich auch heute noch
in der Mitte einer Krisis.
Zur Zeit der letzten Ausstellung wurde der Kettenstich ausserhalb
der Schweiz blos in Ravensburg, Plauen und Tarare in grösserem Um
fange industriell benutzt.
Ravensburg benützte die auf deutschem Boden befindlichen Ar
beiterinnen, um in Concurrenz mit St. Gallen den deutschen Markt mit
Gardinenstoffen zu versehen; trotz dem grossen Vortheil, welche der
starke Zoll ihnen bot, brachte man es aber dort nie zu einem bedeutenden
Geschäfte.
Plauen fabrizirte durch die Kettenstickerinnen an der sächsischen
und böhmischen Grenze Gonfectionsartikel, welche ihm bessere Rech
nung Hessen als Gardinen.
Tarare arbeitete ausschliesslich für Frankreich uud war sich ge
wohnt, seine Fabrikate gut bezahlen zu lassen.
Die Schweiz konnte ohne Concurrenz den Bedarf von America,
England, Belgien, Holland etc. in gestickten Gardinenstoffen decken und