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•J. Steiger-Meyer in Herisau.
grosse Anerkennung zu zollen. Wir finden namentlich ihre Taktik sehr
lehrreich, dass sie unseren billigeren, aber auch in jeder Beziehung viel
flüchtigeren Waaren, nicht eine geringere Qualität entgegensetzten, son
dern darauf bauten, dass man schliesslich das bessere Product doch
wieder vorziehen werde. Wir zweifeln sehr, ob die Schweizer in einem
ähnlichen Falle mit gleicher Einsicht gehandelt hätten.
Eine andere Erfahrung machten wir mit Deutschland. Seit der
letzten Pariser Ausstellung bestrebte sich auch Plauen, die Fabrikation
von gestickten Gardinen einzuführen und machte darin nach Ueberwin-
dung der ersten Schwierigkeiten bedeutende Fortschritte. Die Arbeiter
längs der böhmischen Grenze genügten nicht mehr und einige Plauener
Fabrikanten hatten eben im Frühjahr 1873 in den süddeutschen Stick
bezirken Ferggereien errichtet, als.die Börsenkrisis losbrach und die Ge
schäfte gelähmt wurden. Ohne diesen Zwischenfall hätte diese Concur-
renz für die Schweiz unbequem werden können,
Die von Tarare, Ravensburg und einigen österreichischen Firmen
ausgestellten Kettenstichfabrikate enthielten nichts Erwähnenswerthes.
Tarare lieferte wieder seine bekannten Schaustücke, die für den Laien
bestechend sind, für die commerzielle Industrie aber wenig Werth haben.
Menschliche Figuren sind und bleiben für die Stickerei unpraktisch;
der Kettenstich eignet sich weder für scharfe Zeichnungen, noch für ge
naue Schattirungen. Tarare macht indessen auch sonst sehr gute Sa
chen, namentlich in Tüll-Application leistet es ebenso Gutes wie die
besten Schweizerfabrikanten; die Zeichnungen sind allerdings technisch
oft etwas unpraktisch, aber die Ausführung tadellos. Wir bedauern, dass
diese Waare, welche der wirklichen Fabrikation entspricht, nicht vertre
ten war.
Auch Plauen ermangelte ganz seine Leistungen im Gardinenfach
vorzuführen. Es hat sich allerdings bis jetzt etwas stark aufs Nachah
men der besten Schweizermuster verlegt und wollte wahrscheinlich war
ten, bis es soweit erstarkt sei, um eigene selbständige Leistungen vorle
gen zu können; es hätte sich aber nicht zu geniren gebraucht, denn für
manchen Schweizerfabrikanten wäre es belehrend gewesen, seine Zeich
nungen in bedeutend verbesserter Auflage wieder sehen zu können.
Es ist ganz ausser Zweifel, dass die nächsten Jahre im Kettenstich
artikel grosse Veränderungen bringen werden. So lange ein Artikel sich
auf die reine Handarbeit stützt, kann er Jahrzehnte lang Monopol eines
grösseren Bezirkes bleiben; es hat immer sehr grosse Schwierirkeiten,
einen Industriezweig in einer Gegend neu einzuführen; die Lehrzeit
braucht grosse Opfer. Sobald aber die Maschine einen Artikel erfasst
hat, so gibt sie demselben sofort eine neue Stellung; das Monopol hört
auf, er wird Gemeingut und kann ohne Schwierigkeit überall hin ver
setzt werden. Er wird allerdings in der Gegend, wo er Jahre lang hei
misch war, auch als Maschinenarbeit am leichtesten gedeihen, weil dort