Stickerei.
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alle damit verbundenen Hülfsarbeilen schon vorhanden sind, allein nur
selten hat ein solcher Bezirk Einsicht genug, die Neuerung sofort zu
ergreifen; er kommt meistens erst dazu, wenn ihn eine neu erwachsende
Concurrenz dazu zwingt, d. h. wenn es zu spät ist.
Wir haben oben der Kettenstichmaschine von Cornelly in Paris
erwähnt. Nachdem derselbe in St. Gallen nicht die verdiente Aufmerk
samkeit gefunden, wandte er sich nach Frankreich und besonders Eng
land. Von 3600 Maschinen, die er lieferte, gingen 1800 nach England,
1000 nach Frankreich, 400 nach Sachsen und blos 400 nach der Schweiz!
Diese Maschine ersetzt die Arbeit von ungefähr 4 Handstickerinnen; sie
eignet sich besonders zur Fabrikation von Artikeln, welche sauber blei
ben sollen.
J. J. Rieter & Co. in Winterthur haben schon seit Jahren an dem
Problem der vielnadligen Kettenstich-Stickmaschine gearbeitet; sie stellten
als Resultat ihrer Bemühungen einen sehr gut gearbeiteten Store aus,
welcher mit der Fortschrittsmedaille bedacht wurde.
Wir hoffen die Grobsfickerei werde der Schweiz trotz diesen Fort
schritten der Mechanik nicht entrissen werden.
Wir können allerdings nicht verhindern, dass dieselbe auch in
andern Ländern, namentlich wo sie von hohen Zöllen begünstigt wird,
eingeführt weide, allein sobald wir uns der Situation klar bewusst sind,
so werden wir vermöge unserer Vortheile mit den Hülfsarbeiten doch
den grössten Theil unsers heutigen Terrains behaupten können.
Tüll- und Spitzenfabrikation.
Ausser der Stickerei hatte von den in Section 5 vertretenen In
dustriezweigen namentlich die Tüll- und Spitzenfabrikation grosses In
teresse für uns.
Dieselbe ist unserm Lande fremd; soviel wir wissen wird blos in
der Nähe von Stein a/Rhein und im Ct. Neuenburg in groben Hand
spitzen etwas gemacht, aber ohne alle industrielle Bedeutung.
Der Hauptsitz der mechanischen Tull-Spitzenfabrikation ist Not
tingham, Calais, Dünkirchen, St. Quentin, Lyon, Brüssel und Wien.
Dieser bedeutende Zweig ist auffallender Weise in Deutschland nicht
vertreten; wir kennen dort nirgends eine mechanische Tullfabrik.
Derselbe theilt sich in glatte und faeonnirte Tülle. Für glatten
Tüll ist Nottingham unbedingt der Hauptplatz; er wird nach allen Ge
genden exportirt und die Schweiz ist einer der stärksten Abnehmer. Man
schätzt den Import von glattem Tüll in die Schweiz auf ca. 2 Millionen
Franken; wir glauben aber 1 Vs Millionen sei der Wahrheit näher.
Man spricht schon sehr lange davon, die Fabrikation von glattem
Tnll in der Schweiz einzuführen; bis jetzt hat aber Niemand gewagt,
Hand anzulegen. Ein solches Unternehmen würde jedenfalls ein sehr
grosses Capital und im Anfänge grosse Opfer erfordern, allein schliess
lich dürfte eine mässige Rendite sicher sein.
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