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J. Steiger-Meyer in Herisau.
niss von Frachten, Verpackungen, Provisionen an Zwischenhändler und
durch viel billigere Arbeitslöhne einen enormen Vorsprung gegen den
europäischen Fabrikanten? Ist nicht heute schon die Concurrenz der mit
englischem Capital in Indien etablirten Baumwollspinnereien dem Im
porte fühlbar? Ist nicht heute schon der Handel von Hinter-Indien und
im indischen Archipel grösstentheils in den Händen der Chinesen? Der
Tauschhandel mit der afrikanischen Ostküste und bis tief ins Inland in
den Händen arabischer und indischer Kaufleute? Consumirt nicht die
Landesindustrie von Indien allein ca. 3 /i Millionen Ballen Baumwolle?
Ist nicht ernstlich davon die Rede, dass die Holländer in Java Druckereien
etabliren wollen? Senden nicht heute schon die Engländer Stoffe für
Seidenstickereien nach China, weil sie dieselben dort billiger und schöner
arbeiten lassen können als in Europa?
Und was thut Europa gegenüber diesen Entwicklungen? — Wäh
rend Japan 600 junge Leute in Europa und Amerika auf Staatskosten
in allen möglichen Industrien ausbilden lässt, concentrirt sich die Auf
merksamkeit der europäischen Regierungen auf ihre Kriegsheere, auf
die Anschaffung von Waffen, womit dem Nachbarvolke in kürzester Zeit
die Blüthe seiner Söhne vernichtet werden kann.
Das grosse England denkt erst jetzt daran seinem Volke eine
ordentliche Schulbildung zu geben. Frankreich verwendet einen zehnfach
grössern Betrag für Armee und Kriegsflotte, als für Universitäten und
Schulen. In Deutschland verschwinden die französischen Milliarden in
Festungen und Reserve-Capitalien für Kriegszwecke. Arbeitslöhne und
Lebensbedürfnisse werden durch künstliche Coalitionen in die Höhe ge
schraubt. Der Staat will die freie Verfügung des Arbeiters über seine
Arbeitskraft durch bevormundende Gesetze hemmen. Der Fabrikant,
welcher durch Fleiss, Sparsamkeit und Intelligenz ein Capital erworben,
welches ihn befähigt, mit den Anforderungen der Zeit und mit der aus
wärtigen Concurrenz Schritt zu halten, wird von arbeitsscheuen, lieder
lichen Demagogen bei seinen Arbeitern als ein Feind denunzirt, der durch
Strikes und schlechte Arbeit an einer weitern Bereicherung gehindert
werden müsse!
Der europäische Industrielle ist sich gewöhnt, im Bewusstsein sei
ner Suprematie, mit stiller Geringschätzung auf die Völker des Ostens
herabzubliken und dieselben als bleibende Vasallen seiner Interessen zu
betrachten; allein die letzte Ausstellung zeigt uns klar, dass dieselben
industriell ebenso begabt sind wie Europa. Was ihnen ausser den Ma
schinen mangelt ist das Capital; allein dasselbe ist ein Gemeingut und
wendet sich überall hin, wo ihm eine gute Rendite in Aussicht steht. Ebenso
gut wie mit europäischem Gelde in Nordamerika und Indien Eisenbahnen
gebaut wurden, werden sich auch europäisches Capital und europäische
Unternehmer finden, wann Japan oder China für industrielle Unter
nehmungen gute Zinsen in Aussicht stellen können.