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Volltext: Schweiz : Bericht über Gruppe V Textil-Industrie, Section IV und Sectionen I, II, III, V, VI nebst Gruppe XXI Hausindustrie

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J. Steiger-Meyer in Herisau. 
einziger Markt für australische und Cap-Wolle behauptet. Bios in Sei- 
denwaaren konnte England seit der Aufhebung des Schutzzolles von 
10 ü /o im Jahr 1860 nicht mehr aufkommen, dagegen hat London fast 
das Monopol für asiatische Rohseide. 
Die Haupttendenz der englischen Industrie geht auf Massenpro- 
duction und Billigkeit. Es gibt Viele, welche glauben, ihre bisherige 
Ueberlegenheit sei theilweise durch die abnormen Kohlenpreise und die 
Arbeiterverbindungen ernstlich gefährdet; wir sind indessen überzeugt, 
der praktische Sinn des Volkes werde sich da schon wieder zurechtfin 
den; dagegen erkennen wir einen viel gefährlicheren Feind für die eng 
lische Industrie darin, dass sich die Chefs der Etablissemente zu wenig 
mit dem Studium der Einzelheiten ihres Geschäftes befassen; der Fore- 
man ist der eigentliche technische Director, das unentbehrliche Facto- 
tum; der Chef beschäftigt sich fast ausschliesslich mit der commerciel- 
len Leitung. Die englische textile Industrie macht daher in der Vervoll 
kommnung der Fabrikate, in der Entwicklung des Geschmackes sehr 
langsame Fortschritte und ist in dieser Richtung schon längst von den 
Franzosen und Deutschen überholt worden. 
Es ist unverkennbar, dass der vermehrte Wohlstand überall einen 
Umschwung in die Bedürfnisse gebracht hat; der auf europäische Sitte 
basirte Bedarf will nicht mehr in erster Linie Billigkeit, sondern Fein 
heit und Schönheit. 
Diese Principien muss aber die englische textile Industrie erst 
lernen, und bis auf Weiteres Zusehen wie selbst im eigenen Lande der 
Import von feineren Woll- und Seidenstoffen fortwährend zunimmt. 
Eine weitere Schwierigkeit für die wesentliche Verbesserung der 
Produkte erkennen wir in dem bisherigen Fabrikationssystem, welches 
auf der Theilung der Arbeit beruht. Es gibt keine Etablissemente, 
wo Spinnerei, Weberei, Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appretur 
vereinigt sind, wie auf dem Gontinente, sondern die benannten Manipu 
lationen liegen in 3 4 verschiedenen Händen. Der enorme Umsatz 
erlaubt allerdings dem Einzelnen, sich fortwährend die neuesten Maschi 
nen anzuschaffen, allein diess führt zu einer gewissen Oberflächlichkeit, 
und schliesst die genaue Sorgfalt für das Einzelne aus, wie diess die 
feinem Fabrikate verlangen. Der Nachtheil zeigt sich am schlagendsten 
bei den feineren Druckartikeln; während Manchester und Glasgow höch 
stens 6 Pence per Meter erreichen, wird französische Waare auf Stoff mit 
gleicher Fadenzahl, gleicher Garnnummer, fast ganz gleichen Dessins, mit 
10 Pence bezahlt und der ersteren vorgezogen, weil der Appret schöner, 
das Pliage exacter, die Farben haltbarer sind. 
Ein ausserordentlich wichtiger Factor in der englischen textilen 
Industrie sind die kurzen Zahlungstermine, welche das nöthige Betriebs- 
Gapital auf ein Minimum reduziren und auch dem wenig Bemittelten 
erlauben, an der Gross-Industrie Theil zu nehmen. Eine weitere Er-
	        
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