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Volltext: Schweiz : Bericht über Gruppe V Textil-Industrie, Section IV und Sectionen I, II, III, V, VI nebst Gruppe XXI Hausindustrie

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J. Steiger-Meyer in Herisau. 
folgt, wird sie die hohe Stellung, welche sie an allen internationalen 
Ausstellungen eingenommen hat, beibehalten. 
Die deutsche textile Industrie steht nach unserem Dafürhalten 
in der Mitte zwischen England und Frankreich. Der deutsche Fabrikant 
hat eine bessere allgemeine Bildung und ist sehr schmiegsam. Während 
der französiche Industrielle seine Fabrikate fast ausschliesslich dem Be 
darf des eigenen Landes anpasst und es dem Pariser Commissionär 
überlässt, ausfindig zu machen, wohin seine Waaren exportirt werden 
können; während der Engländer blos den grossen Specialbedarf von In 
dien, China etc. berücksichtigt, fabrizirt der Deutsche für die ganze Welt 
und setzt eine Ehre darein, mit möglichst vielen Ländern in directem 
Verkehr zu sein; er zersplittert seine Kraft sehr oft mit dem Vielerlei 
und ist leicht zu sehr Theoretiker. 
Die Zahlungsverhältnisse im Lande selbst sind sehr schlecht und 
bedingen ein grosses Betriebskapital, wenn das Geschäft vortheilhaft 
betrieben werden soll; der gewöhnliche Verkaufstermin ist 6 Monat. 
Dabei ist der deutsche Käufer gerne Chicaneur, und sucht durch Abzüge 
oder langsichtige Wechsel auf Nebenplätze noch ein Extra-Bene zu er 
haschen. Die elsässische Industrie kann sich in diese misslichen Chan 
cen des neuen Vaterlandes sehr schwer finden; wenn ihr irgend etwas 
die rechte Liebe zu ihm erschwert, so ist es die Unmöglichkeit, mit 
Berlin ein eben so rundes, coulantes Geschäft zu machen wie mit Paris. 
Die Entwicklung der deutschen Industrie ist durch diese Verhält 
nisse sehr gehemmt. Der Fabrikant ist für das Rohmaterial zu viel auf 
den Zwischenhändler angewiesen, der den Banquier macht. Die starke 
Concurrenz macht es ihm schwer, zu einem grossen Geschäft zu gelan 
gen, und sein Benefice ist im Verhältnis zum Umsatz nicht gross genug 
um rasch vorwärts kommen zu können. 
Wenn der deutsche Fabrikant seine Kraft zu concentriren ver 
steht, und wenn er die nöthigen Capitalien besitzt, so leistet er sehr viel; 
es gibt einzelne Fabrikanten, welche in grossen Artikeln wie Sammte, 
Wollstoffe, Strumpfwaaren etc. sowohl England als Frankreich vollkom 
men die Spitze bieten. 
Die österreichische textile Industrie hat Jedermann durch ihre 
Ausstellung überrascht. Dieselbe zeigte in allen Branchen eine Perfection 
und einen Geschmack wie es Niemand erwartete; sie steht in jeder Be 
ziehung auf der Höhe der Zeit und zählt eine Reihe grossartiger Eta- 
blissemente, welche Spinnerei, Weberei, Bleicherei, Färberei, Druckerei, 
Appretur etc. vereinigen und deren Fabrikate sich mit dem Besten an 
derer Länder messen dürfen. 
Leider sind auch in Oesterreich die Geld- und Creditverhältnisse 
der Art, dass die Industrie hauptsächlich in den Händen des grossen 
Capitals liegt. Der grosse Reichthum des Landes an Wasserkräften, 
Brennmaterial, billigen Arbeitslöhnen etc. könnte noch viel mehr ausge-
	        
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