MAK

Volltext: Schweiz : Bericht über Gruppe V Textil-Industrie, Section IV und Sectionen I, II, III, V, VI nebst Gruppe XXI Hausindustrie

Reflexionen. 
93 
beutet werden, wenn dasselbe politisch und finanziell endlich in eine 
geordnete Bahn eintreten könnte. Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, 
Oesterreich habe kein Geld. Leider standen die disponiblen Gapitalien 
des Landes bis jetzt fast ausschliesslich im Dienste der Spekulation und 
der Börse; der legitime Handel, der keine so hohe Zinsen in Aussicht 
stellen konnte, musste darben. Beim letzten Krach fielen in Wien die 
Börsenwerthe in Zeit von 6 Wochen um volle zwei Milliarden Franken. Es 
gibt diess einen annähernden Begriff von den Unsummen, welche dem 
Börsenspiele zur Verfügung standen. Man hofft, die erhaltene Lehre 
werde der Industrie dadurch zu Gute kommen, dass in Zukunft das 
Capital der Industrie mehr Aufmerksamkeit schenken werde, als es bis 
anhin geschehen ist. Der österreichische Fabrikant ist technisch tüchtig 
gebildet und würde alle Requisiten besitzen, um auch bei bedeutend 
ermässigten Zollschranken seinen Platz vollkommen zu behaupten. 
Das industrielle Leben in Italien ist am Aufwachen. 
Italien war bis in die letzten Jahre Hauptkäufer für schweize 
rische Baumwoll-, Leinen- und Halbwollwaaren; es macht aber grosse 
Anstrengungen um sich zu emancipiren und hat durch die Goncentration 
grosser Capitalien und durch billige Arbeitslöhne schon einen grossen 
Theil des inländischen Bedarfes an sich gerissen. Die Ausstellung zeigte, 
dass seine Industrie in sehr tüchtigen Händen liegt, und dass nichts ge 
spart wird, um die Fabrikate mit dem Besten, was das Ausland liefert, 
concurrenzfähig zu machen. 
Die Schweiz ist zwischen den letzterwähnten vier Grossstaaten 
eingekeilt; ihre natürliche Lage ist eine höchst ungünstige; sie hat keine 
Metalle, keine Kohlen, wenig und darum theures Holz, keine Canäle oder 
schiffbaren Flüsse, keinen Anschluss an’s Meer; ihr Ackerbau genügt blos 
zur Ernährung der Hälfte der Einwohner und sind desshalb alle Lebens 
mittel theuer. 
Noch grössere Nachtheile für die Entwicklung der Grossindustrie 
bieten aber die sie wie eine Mauer umgebenden Zollschranken und 
der unbedeutende Absatz im eigenen Lande. Während die vorerwähnten 
Länder 20, 30 und 40 Millionen Einwohner zählen, deren Bedürfnisse 
genügen um schon eine grossartige Industrie zu alimentiren, zählt die 
Schweiz blos 2 V» Millionen Einwohner, von denen ein grosser Theil in 
äusserster Einfachheit lebt und sehr wenig consumirt, so dass es einzelne 
Städte gibt, wie London, Paris, New-York, welche viel mehr consumiren 
als die ganze Schweiz. 
Die Schweiz hat alle diese Hindernisse durch Fleiss, Ausdauer, 
Sparsamkeit, Genügsamkeit, praktischen Sinn, Beförderung der Schulbil 
dung, Sammlung der disponibeln Capitalien in Banken zu Gunsten der 
Industrie überwunden. Anstatt der Kohlen benützte man die Gebirgs- 
wasser und Flüsse als Triebkraft: durch ausgezeichnete Schulen wurde 
das Volk zu Arbeiten befähigt, wo die Intelligenz des Einzelnen mass-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.