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und Südbahn (letzterer noch unvollendet). Im Jahre 1866
wurde das Akademische Gymnasium (von Schmidt), im
Jahre 1871 das Gebäude des Oesterreichischen Museums
für Kunst und Industrie (von Ferstel) vollendet.
Der letzte und zugleich bedeutungsvollste Abschnitt
der mit der Stadterweiterung anhebenden Bauperiode be
ginnt aber eben jetzt. Fast gleichzeitig werden der Bau
der beiden Museen (für Kunst- und für naturhistorische
Sammlungen) von Semper und Hasenauer, des Parla
mentshauses und der Börse von Hansen, der Universität
von Ferstel und des Rathhauses von Schmidt in An
griff genommen und die Pläne für den Umbau der Burg
und für das neue Schauspielhaus, beide von Semper und
Hasenauer, gehen ihrem Abschluss entgegen, ein Justiz
palast, ein General-Commando-Gebäude (von Doderer)
und andere Staatsbauten sind in der Umgebung des Rath
hauses projectirt — wir sehen Aufgaben, in welchen die
Bedeutung Wiens als Haupt- und Residenzstadt, als Stätte
der Pflege aller Künste, als wichtigste Gemeinde des Lan
de^ am prägnantesten ausgedrückt wird, in die Hände der
würdigsten Meister gelegt, und wenn die äusseren Verhält
nisse günstig bleiben, so verspricht das nächste Jahrzehnt
eine architektonische Blüthenfülle, wie einer solchen sich
kein früherer Zeitabschnitt in der Baugeschichte unserer
Stadt rühmen darf.
Wohngebäude.
A. Gebäude für den kaiserlichen Hof.
Kaiserliche Hofburg. Die österreichischen Herzoge wohnten
bis zu Anfang des XIII. Jahrhunderts am Hof und bauten
sich sodann eine neue Burg auf dem Platze des heutigen
Schw eizerhofes (1), in Form eines Quadrates. Ueber die Ver
änderungen bis zum XVI. Jahrhundert ist nur wenig bekannt.
Kaiser Ferdinand nahm in den Jahren 1526-1552 bedeutende
Aenderungen vor; die gegen den Franzensplatz liegende
Facade und das Renaissance-Portal zum Schweizerhof erhielten
durch ihn ihre gegenwärtige Gestalt. Der jetzige sogenannte
Leopoldinische Tract (2) wurde, nachdem dieser bereits
bestehende Tract im Jahre 1668 abgebrannt war, vom Kaiser
Leopold von neuem erbaut; die bedeutendsten Restaurationen
dieses Theiles wurden unter Maria Theresia ausgeführt. Ipa