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dass der Magistrat beschloss, in eigener Regie eine Gasanstalt
zu errichten. In Folge dessen ging die englische Gesellschaft
mit dem Preise herab, was im Jahre 1845 das Zustandekom
men eines 10jährigen Vertrages zur Folge hatte. Im Jahre
1852 kam ein neuer Vertrag auf 25 Jahre, d. i. bis zum Jahr
1877, zu Stande.
Das Gas wird aus Steinkohlen bereitet, und es besitzt
die Gesellschaft in Wien sechs Fabriken, welche an nachste
henden Orten situirt sind: 1. im III. Bezirke, Landstrasse, an
der Erdberger-Lände, 2. im IV. Bezirke, Favoriten, nächst dem
Staatsbahnhofe, 3. im Vororte Fünf haus, nächst dem West
bahnhofe. 4. im Vororte Währing, nächst Döbling, 5. im II.
Bezirke, Zwischenbrücken, und 6. in Floridsdorf.
Die Gaswerke sind hier nach ihrer Grösse rangirt. so
zwar, dass jenes an der Erdberger-Lände das grösste, jenes in
Floridsdorf das kleinste ist. In der Erdberger Fabrik wurde
im abgelaufenen Jahre zu den dort bestandenen vier Gas
behältern noch ein fünfter mit einem Durchmesser von 57 m er
richtet , und ist hier nebst der in Gasfabriken üblichen Ge
winnung von Nebenproducten die Erzeugung von feuerfesten
Ziegeln und Retorten von besonderem Interesse. Die
übrigen Gasw'erke haben 2 und 3 Gasbehälter von 19 m bis
3* m Durchmesser; das Werk in Floridsdorf, welches erst 1872
vollendet wuirde, hat vorderhand nur einen Behälter von ca.
14 m Durchmesser.
Diese Gaswerke liefern den Gesammtbedarf an Leuchtgas
für ganz Wien, welcher sich im Sommer auf ca. 57000, im
Winter auf ca. 117000 C m beläuft. Die Flammenzahl der öffent
lichen Beleuchtung beträgt mit Einschluss der Vororte und
des Ausstellungsplatzes in runder Zahl 11G00 — jene der
Privatbeleuchtung ca. 150000.
Die Gesammtlänge der in den Strassen liegenden Haupt
leitungsröhren ist nahezu 432 Kilometer, d. i. 57 deutsche
Meilen. Für das Leuchtgas werden bei der öffentlichen Be
leuchtung 12,4 Kreuzer und bei der Privatbeleuchtung 11 kr.
pro Cubikmeter bezahlt.
Die Commune Wien ist nicht gesonnen, nach Ablauf der
Vertragszeit den Contract mit der englischen Gesellschaft zu
erneuern, sondern will vom Jahre 1877 an in eigener Regie
Gas erzeugen. Zu diesem Ende wurde auch bereits im abge
laufenen Jahre ein Grundeomplex im Vororte Heiligenstadt
für die Erbauung eines Gaswerkes angekauft, und ein dem
Stadtärar gehöriges Grundstück in Kaiser - Ebersdorf zu dem
gleichen Zwecke bestimmt.