Der Welthandel.
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Europas füllen. Erft als die Herrfchaft der römifchen Welt in ein öftliclies und
weltliches Reich fich theilt, erhebt fich Byzanz als die zukunftsreiche Nebenbuhlerin
Alexandriens, der Verkehr zwifchen Indien und Italien zerfällt, und Araber und
Perfer reifsen den grofsen Welthandel an fich. Durch den Bedarf nach Gold find
die Araber bis nach Gibraltar und in das mittelländifche Meer gedrängt worden
und hielten über Perfien den Weg nach China und den Sunda-Infeln, mit den
Handelsemporien Mekka, Medina, Bagdad, Damascus im regen Handel von Oft
nach Weft feft. Nördlicher aber bleibt nur die Donau offen, nach dem fchwarzen
Meere, den Bosporus über Trapezunt nach Perfien und Indien zu gelangen. Con
ftantinopel centralifirte den Handel mit indifchen Waaren und Fabricaten gegen die
Rohftoffe und edlen Metalle der ackerbautreibenden Hinterländer, die in dem
Bifchoffitze Lorch in Niederöfterreich ihren Stapelplatz fanden. Sind die Englän
der unfererTage nicht der Handelspolitik der Araber gefolgt, die ganze territoriale
Begrenzung der indifchen See zu befetzen? Haben vor ihnen die Portugiefen, als
fie den Seeweg um das Cap fanden, nicht die gleiche Politik verfolgt? Und ift die
orientalifche Frage, als die Gefchichte den verworrenen Knoten in Conftantinopel
fchlang, erft gefchaffen worden, als das grofse ruffifche Reich einen ficheren
Ausgang nach den reichen Welthandels-Wegen fuchte? War fie nicht in dem Jahr
hundert vorhanden, als Venedig und Genua um das Uebergewicht in der Stadt am
goldenen Horn ftritten und Genua die Mohamedaner im Kampfe gegen die fchwa-
chen Refte römifcher Herrfcherherrlichkeiten unterftützte? Ja, was fagen wir!
War fie nicht vor diefer Zeit da, als ein von der gewohnten Heerftrafse abgefchlof-
fenes Hinterland einen Weg an die See fuchte? Das Menfchengefchlecht lebt
fchon Jahrtaufende! Aber den Gefetzen, die wie die Naturgefetze das Leben der
Völker beherrfchen und unwandelbar wie diefe fcheinen, den Gefetzen gegenüber
fchafft fie nur fehr langfam und auf Jahrhunderte vertheilt das Neue.
So feft wie der Handelsweg vom Weilen Europas nach Perlien, Indien und
China, fo feft ift bald auch der vom Norden durch Conftantinopel beftimmt. Er
drängt über Lorch, Regensburg an den Rhein, er geht den Dnieper hinauf über
Kiew und Nowgorod an die Oftfee und bringt für die Güter des Orientes feine Fabri-
cate und Genufsmittel, Rohftoffe und edle Metalle. Der Weg wird befonders
wichtig, als die Hunnen die Donau fperrten. Da kommen die Güter über Kiew und
Nowgorod über Breslau den Confumenten zu und Breslau gewinnt eine Bedeutung
für den Transitohandel, in der es heute noch feine beftimmte Kraft fühlt.
Die Wirkung, die zwei fo reiche Wege des Handels, jener arabifche von
Süd und Südweften, der griechifche von Often auf die von ihnen umfchloffenen
Länder ausübten, mufste diefe Welt felbft allmälig mächtig und grofs machen,
bis fich jene Geftaltung des Mittelalters ausbildet, von der Johann Falke in feiner
Gefchichte des deutfchen Handels fo fcharf fagt: „dafsein mafsgebender und herr-
fchender Einflufs, eine hauptfächliche Strömung der Cultur vom Mittelpunkte und
dem Herzen Europas, von dem zum deutfchen Reich vereinigten Stämmen
aus gegen die im Umkreis des Welttheiles lagernden romanifchen und fiavifchen,
wie nordgermanifchen Länder und Volkstheile hinzog.“ Freilich mufste dafür erft
das Chriftenthum fefte Wurzeln fchlagen, der Orient durch die Kreuzzüge auch für
das mittelländifche Meer wieder geöffnet werden, ein langer Kampf endlich
zwifchen der chriftlichen Hierarchie und der weltlichen Staatsgewalt, „den bei
den Schwertern Gottes auf Erden“, aber nicht für eine Hand beftimmt, ausgefoch-
ten werden, ehe das grofse Handelsleben, Reichthum und Cultur bringend und
fchaffend, feine Macht in Mitte des Ackerbauthums äufsern, dem beweglichen
Eigenthum feinen Antheil an der wirthfchaftlichen Herrfchaft, dem Bürgerftande
feine Selbftftändigkeit geben konnte. Und das Alles ift gefchehen und ift aus- und
durchgekämpft worden. Es hat Blut gekoftet, viel Blut und Noth und Elend. Aber
die grofsen Wege, auf denen die Menfchheit zur Entwicklung vorwärts fchreitet, find
immer mit Blut getränkt worden, ein unlösbarer Kitt des Culturbaues der Welt. Faffen
wir, ehe wir diefen Bau, foweit als nöthig für die Zeit, die wir hier abfchliefsen,