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Volltext: Der Welthandel : (Additionelle Ausstellung Nr. 6), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. Carl Thomas Richter. 
genauer betrachten, das Bild der Handelsgeographie Europas in Kurzem 
zufammen. 
Im'Norden Europas, dem heutigen Rufsland, find die Seen und fchiffbaren 
Ströme die Grundlage einer fich rafch entwickelnden Flufs-Schifffahrt. Die Wolga 
von ihrer Mündung ins cafpifche Meer bis hinauf in ihr Quellengebiet, 4500 Werde, 
id fchiffbar für die Waarenladungen, welche aus den oberen Theilen des Indus 
und Oxus von den Handelsdädten des mittleren Afiens in das Innere des ruffifchen 
Reiches dringen. Ein Weg, der heute noch für den Backdein-Thee Chinas behaup 
tet wird. Von der Wolga gelangte man durch die Kama zum Eismeer, oder auf der 
Dwina in das weifse Meer. Den Dnieper hinauf führte die zweite Strafse zur 
Wolchow, die Newa und den finnifchen Meerbufen nach Schweden, in deffen 
Umgebung die Handelsplätze der Normanen, Dänen und flavifchen Stämme, 
weit berühmt, gelegen. Auf diefem'Wege drangen die Völker längft vergangener 
Jahrhunderte zu den Bernftein Geftaden vor und hatte das Mittelalter den Weg für 
den pontifch-baltifchenZwifchenhandel. Auch die Araber kamen in das Gebiet der 
Wolga, des Dnieper und feiner nordweftlichen Hinterlande und arabifche Münzen 
liefen hier um für Bernftein, Honig, Wachsund das dem Südländer fo begehrungswür 
dige nordifche Pelzwerk. Im Weiten regte fich das Leben an der atlantifchen Kiifte, 
am Rhein und an der Mofel, und Leder, Waffen und Tücher kamen hier zum 
Taufch und zum Kauf in Umlauf. Der Knotenpunkt diefes Verkehres lag in der 
Gegend des heutigen Utrecht und in Tiel an der Warl und begründete die frühe 
wirthfchaftliche Blüthe in den Niederungen des deutlichen fagenreichen Heimats- 
ftromes, aus der allmälig die mercantile Macht der Hanfa hervorgeht. Englifche 
Wolle, Blei, Zinn, Getreide und Sklaven taufchen fich aus gegen die herauf drin 
genden indifchen Waaren oder norddeutfchen Fabricate. Dazu kamen noch die 
Erzeugniffe wie die Heimat felbft fie gegeben, gedörrte und gefalzene Fifche, 
Wein, Butter, Hamburger Bier. Der freie Bürgerftand gedeiht in diefem Handel 
und Wandel und nichts kann ihn zerftören, wie oft man feine Städte auch nieder 
brennt und feine Thätigkeit zu durchbrechen fucht. 
Auch im Süden prägt fich immer kräftiger ein handelspolitifches Bild aus 
als die füdlichen Handelsftädte Barcelona, Genua und Venedig in voller Jugend 
kraft erblühen und in der Verkehrsbewegung der Welt hervortreten. Vor allen 
fteigt Venedig empor, die Erbin Aquilejas und wird in Mitte der. Kreuzzüge der 
Mittelpunkt des Verkehres Europas mit Alien und Afrika. Vor ihm hat Amalfi einen 
Theil des arabifchen Welthandels, begünftigt durch feine Lage nahe dem gewerb- 
reichen Sicilien, verbunden mit Conftantinopel einerfeits und Egypten anderfeits, 
zu fich abgeführt und den Handel durch Pifa und Genua nach dem Norden 
geleitet und fuhr mit feiner fchwarzweifsen Flagge, den Compafs mit den acht 
Hauptftrahlen der Windrofe darin, über die füdlichen Meere. Nur die Gefchichte 
der Handelsrechte hat uns die volle Erinnerung diefer Gröfse erhalten. Seine 
Handelsmacht felbft ging vor dem kriegerifchen Pifa, der fteigenden Macht Vene 
digs und Genuas unter, die alle durch die Kreuzzüge geftärkt wurden und den Völker- 
und Handelszug nach dem mittelländifchen Meere hin allmälig leiteten. Zwifchen 
den fo gekennzeichneten Handelspunkten des Südens und Nordens bewegt fich 
durch die Mitte noch immer der Donauhandel hinab nach Conftantinopel. Drei 
grofse mächtige Wege, welche über die füdlichen Stufen nach dem Orient, zumeift 
und immer kräftiger durch Venedig, über die Landenge von Suez, dort wo Phöni- 
cier, Juden und Araber zogen, die Zahlungsmittel Europas, die edlen Metalle in 
einem fleifsigen Bergbau in ganz Europa gefördert, nach Indien ableiten. 
Wie füllte diefes grofse Leben, das fich entwickelnd und felbft Entwicklung 
bringend, nicht Europa neu geftalten. „Vita Germanorum omnis in venationibus 
cumsumitur“ ift längft eine hiftorifche Redensart geworden und die Götter find 
vergehen, die nach der Edda die Aecker vertheilten. Der Krieg war der Schöpfer 
der Reiche geworden, der Handel füllte fie mit arbeitenden Händen an. Im 
Norden Italiens erblühen die Städte und die ftädtifchen Gewerbe. In Deutfchland
	        
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