Der Welthandel.
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längs der Fliiffe und Strafsen wachfen die einfl fo fchwachen Anfiedlungen und
gedeihen um die Burgen reich bevölkerte Gemeinwefen.
Das war die Zeit, in der der wandernde Kaufmann zuerft den Fleifs des
Ackerbauers erregt, neue Bedürfniffe erzeugt, dann bald das Gewerbe felbft ent
wickelt und Waare gegen Waare zu taufchen beginnt. Das war bald die Zeit, in der
ein neues, eigenes Bürgerthum aus den Trümmern des am mittelländifchen Meere
belebten römifchen Städtewefens hervorwuchs, eben fo wie es gedieh in Deutfch-
land und Frankreich und nun der Rechtsfatz oft angewendet wurde „urbem liberare
vel libertäre“. Das war die Zeit, in der es hiefs : „Ulmer Geld geht durch alle
Welt, Nürnberger Hand geht durch alles Land“. Und das war zugleich die Zeit, in
der-bald die herrlichen Bauten der Gothik aus dem Reichthum emporfliegen, die
Goethe „eine faracenifche Blume, im Wellen aufgegangen“ nannte. Aber es war
auch die Zeit, in der die Kirche bald übermächtig anfchwoll und alle Geiftlichen
bald fagten: „Was uns beliebt das ift Canon“, und der Rechtsfatz des Sachfenfpie-
gels : „Zwei Schwerter legte Gott auf die Erde, zu befchirmen die Chriflenheit! der
Papft ift der geiftlichen Welt gefetzt, der Kaifer der weltlichen“, bald vergehen
wurde. Bauer- und Bürgerftand entwickeln fich aber in diefer Bewegung eines
grofsen, durch politifche und kriegerifche Ereigniffe gar oft mächtig aufgeregten
Lebens. Entwickelt fich jener, feil im Boden und unbeweglichem Eigenthum wur
zelnd, fo gedeiht diefer auf der Culturkraft und Triebfähigkeit des beweglichen
Eigenthums. Er gehörte ja frühzeitig dem über den ganzen Erdball fich verzwei
genden Handel an, der. mit jenem „wie ein Sauerteig unter dem fchwerfälligen
Mehlfafs des ftädtifchen Ackerbauthums“ fich mifcht, wie Kiffelbach es fo geiftvoll
und treffend kennzeichnet. Was das Jahrtaufend in Afien nicht zu erzeugen vermochte,
ein kräftiges ftädtifches Bürgerthum, das den Nomaden und Ackerbau-Staat
endlich vorwärts auf der Bahn der Cultur drängt, wenige Jahrhunderte haben es
in Europa gefchaffen. Das Mifsverhältnifs von Land und Meer, die begrenzte
Kliffe einem ungeheuren Landgebiete gegenüber, mag wohl die Macht des
Widerftandes in Afien gegen die Entwicklungsfähigkeit des Handels, der ja durch ein
Jahrtaufend und mehr feine Wege hiernach Indien vorgedrängt hat, zumeift erhal
ten haben, mag ein unüberfteigliches Hindernifs gewefen fein gegen die Vermifchung
der Handelsftämme an der Kliffe und der Bewohner der Hinterländer, mag einft
auch dem ftolzen Gedanken Alexanders, aus Afien ein Reich zu machen, die gröfste,
unüberwindliche Gewalt entgegengefetzt haben. In Europa aber arbeiten die
fchaffenden Kräfte auf einem Boden, den geographifche Lage und Natur überaus
günftig geftalten. Italien und Deutfchland, wie wenig es auch damals eine deutfche
Nation und deutfches Reich gab, treten hervor und ihr Bürgerftand ift es, der die
Wege bahnt für den Samen einer kräftigen Cultur. Deutfchland erntet die Früchte,
welche ein einft fleifsiger Mönchsftand ausgeftreut, betritt die Bahn, welche, wie
Hüllermann in feinem Werke „Urfprünge der Kirchenverfaffung“ fagt: „die Mönche
des frühen Mittelalters zu dem Stande der freien Handwerker“ gebrochen, und die
damit „die Entwicklung des Bürgerftandes vorbereitet haben“. Es erntet die
Früchte der Kreuzzüge und wird mit Italien der Erbe der reichen arabifchen Cul
tur. Auf der pyrenäifchen Halbinfel war ja der Ackerbau durch ein treffliches
Bewäfferungsfyftem und die Vorliebe für die Pflege edler Früchte hoch entwickelt.
Die Araber hatten den alten,, von den Phöniciern einft betriebenen Bergbau wieder
•aufgenommen und förderten Gold, Eifen, Queckfilber und andere Metalle. Ihre
Waffenfabrication, ihre Weberei und Ledererzeugung, das Corduanleder zu
Cordova, das Maroquin zu Marokko war weit berühmt, Wiffenfchaft, Kunft und
Poefie blüthen hier im Werten Europas, wie bei den Griechen unter dem Glanz
der oftrömifchen Kaiferzeit im Offen. Die Araber hatten im X. Jahrhundert die
Baumwoll-Induftrie eingeführt und zu Cordova, Granada und Sevilla jene feinen
Stoffe erzeugt, die ganz Europa ebenfo wie arabifche Säbel und Schwerter fchätzte
und fuchte. Und diefe Induftrie-Entwicklung hatte den Handel in feiner gefchicht-
lichen Ausbildung mitbefördert. Die Araber haben die Geldanweifüng und den