MAK

Volltext: Der Welthandel : (Additionelle Ausstellung Nr. 6), officieller Ausstellungs-Bericht

Der Welthandel. 
13 
längs der Fliiffe und Strafsen wachfen die einfl fo fchwachen Anfiedlungen und 
gedeihen um die Burgen reich bevölkerte Gemeinwefen. 
Das war die Zeit, in der der wandernde Kaufmann zuerft den Fleifs des 
Ackerbauers erregt, neue Bedürfniffe erzeugt, dann bald das Gewerbe felbft ent 
wickelt und Waare gegen Waare zu taufchen beginnt. Das war bald die Zeit, in der 
ein neues, eigenes Bürgerthum aus den Trümmern des am mittelländifchen Meere 
belebten römifchen Städtewefens hervorwuchs, eben fo wie es gedieh in Deutfch- 
land und Frankreich und nun der Rechtsfatz oft angewendet wurde „urbem liberare 
vel libertäre“. Das war die Zeit, in der es hiefs : „Ulmer Geld geht durch alle 
Welt, Nürnberger Hand geht durch alles Land“. Und das war zugleich die Zeit, in 
der-bald die herrlichen Bauten der Gothik aus dem Reichthum emporfliegen, die 
Goethe „eine faracenifche Blume, im Wellen aufgegangen“ nannte. Aber es war 
auch die Zeit, in der die Kirche bald übermächtig anfchwoll und alle Geiftlichen 
bald fagten: „Was uns beliebt das ift Canon“, und der Rechtsfatz des Sachfenfpie- 
gels : „Zwei Schwerter legte Gott auf die Erde, zu befchirmen die Chriflenheit! der 
Papft ift der geiftlichen Welt gefetzt, der Kaifer der weltlichen“, bald vergehen 
wurde. Bauer- und Bürgerftand entwickeln fich aber in diefer Bewegung eines 
grofsen, durch politifche und kriegerifche Ereigniffe gar oft mächtig aufgeregten 
Lebens. Entwickelt fich jener, feil im Boden und unbeweglichem Eigenthum wur 
zelnd, fo gedeiht diefer auf der Culturkraft und Triebfähigkeit des beweglichen 
Eigenthums. Er gehörte ja frühzeitig dem über den ganzen Erdball fich verzwei 
genden Handel an, der. mit jenem „wie ein Sauerteig unter dem fchwerfälligen 
Mehlfafs des ftädtifchen Ackerbauthums“ fich mifcht, wie Kiffelbach es fo geiftvoll 
und treffend kennzeichnet. Was das Jahrtaufend in Afien nicht zu erzeugen vermochte, 
ein kräftiges ftädtifches Bürgerthum, das den Nomaden und Ackerbau-Staat 
endlich vorwärts auf der Bahn der Cultur drängt, wenige Jahrhunderte haben es 
in Europa gefchaffen. Das Mifsverhältnifs von Land und Meer, die begrenzte 
Kliffe einem ungeheuren Landgebiete gegenüber, mag wohl die Macht des 
Widerftandes in Afien gegen die Entwicklungsfähigkeit des Handels, der ja durch ein 
Jahrtaufend und mehr feine Wege hiernach Indien vorgedrängt hat, zumeift erhal 
ten haben, mag ein unüberfteigliches Hindernifs gewefen fein gegen die Vermifchung 
der Handelsftämme an der Kliffe und der Bewohner der Hinterländer, mag einft 
auch dem ftolzen Gedanken Alexanders, aus Afien ein Reich zu machen, die gröfste, 
unüberwindliche Gewalt entgegengefetzt haben. In Europa aber arbeiten die 
fchaffenden Kräfte auf einem Boden, den geographifche Lage und Natur überaus 
günftig geftalten. Italien und Deutfchland, wie wenig es auch damals eine deutfche 
Nation und deutfches Reich gab, treten hervor und ihr Bürgerftand ift es, der die 
Wege bahnt für den Samen einer kräftigen Cultur. Deutfchland erntet die Früchte, 
welche ein einft fleifsiger Mönchsftand ausgeftreut, betritt die Bahn, welche, wie 
Hüllermann in feinem Werke „Urfprünge der Kirchenverfaffung“ fagt: „die Mönche 
des frühen Mittelalters zu dem Stande der freien Handwerker“ gebrochen, und die 
damit „die Entwicklung des Bürgerftandes vorbereitet haben“. Es erntet die 
Früchte der Kreuzzüge und wird mit Italien der Erbe der reichen arabifchen Cul 
tur. Auf der pyrenäifchen Halbinfel war ja der Ackerbau durch ein treffliches 
Bewäfferungsfyftem und die Vorliebe für die Pflege edler Früchte hoch entwickelt. 
Die Araber hatten den alten,, von den Phöniciern einft betriebenen Bergbau wieder 
•aufgenommen und förderten Gold, Eifen, Queckfilber und andere Metalle. Ihre 
Waffenfabrication, ihre Weberei und Ledererzeugung, das Corduanleder zu 
Cordova, das Maroquin zu Marokko war weit berühmt, Wiffenfchaft, Kunft und 
Poefie blüthen hier im Werten Europas, wie bei den Griechen unter dem Glanz 
der oftrömifchen Kaiferzeit im Offen. Die Araber hatten im X. Jahrhundert die 
Baumwoll-Induftrie eingeführt und zu Cordova, Granada und Sevilla jene feinen 
Stoffe erzeugt, die ganz Europa ebenfo wie arabifche Säbel und Schwerter fchätzte 
und fuchte. Und diefe Induftrie-Entwicklung hatte den Handel in feiner gefchicht- 
lichen Ausbildung mitbefördert. Die Araber haben die Geldanweifüng und den
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.