Der Welthandel.
G9
Ökonomen geknüpft ift, das v. Thünen’fche Gefetz von der Ausbildung und Aus-
cinanderrückung der Producftionskreife längft zur Wahrheit gemacht und zwifchen
den induftriereichen, aber ackervvirthfchaftsarmen Staaten, und den reichen und
üppigen Agriculturländern auf dem Gefetze einer grofsen und von der Natur wie
vorgezeichneten Arbeitsteilung beruhend, eine Verbindung und Vertaufchung
der Güter fo erzeugt, dafs alle klimatifchen Verfchiedenheiten und alle Wirkungen
der Naturereigniffe, ebenfo wie alle induftriellen Vorzüge, Begabungen und Ent-
wicklungsmomente eigentlich der ganzen Welt gemeinfam geworden find. Der
Handel ift das mächtige und ftets rege Bindeglied dabei für die Länder Europas
und auch Amerikas.
Wir wollen in dem Folgenden die Produdlionsziffer der unfere Lultur
zumeift berührenden Länder zufammenftellen, und Ausfuhrs und Einfuhrsziffern
angeben betreffs der weiteren Ausführung aber auf die Arbeiten von Scherzer
und Fr. X. Neumann in Behm's geographifchem Jahrbuche verweifen, wo Zahlen
angegeben find, die fich felbft heute nur fchwer überholen laffen.
Die gröfsten, getreideproducirenden Staaten Europas find Oefteneich-
Uimarn, die Donaufürftenthümer, das deutfche Reich und Dänemark, oder Länder,
welche einen grofsen Theil ihres Producftionswerthes an andere Länder abgeben
können. Grofsbritannien und Irland, Belgien, die Niederlande und die Schweiz
muffen neben ihrer eigenen Production den Mehrbedarf aus der Fremde decken.
In Frankreich vermag nur eine fehr reiche Ernte die Einfuhr zu begrenzen, in
Italien haben die letzten Jahre eine fo glückliche Entwicklung der Ackerwirth-
fchaft bereift, dafs der Export an Reis und Mais fortwährend im Steigen, der
Import an Getreide im Sinken begriffen ift. In Schweden und Norwegen wird
die Ausfuhr durch gleiche Mengen Einfuhr gedeckt. Nach diefen allgemeinen
Angaben fchon zeigt fich, dafs der Offen Europas den Welten mit feinen Agri-
culturprodudten beherrfcht und dafs fomit Arbeitslöhne und Preife der Induftrie-
produdte im Welten und eigentlich der ganzen europäifchen Erde immer von den
Ernten und der glücklichen Zufuhr der Getreidefrüchte der überproducirenden
Länder abhängen. Die Entwicklung des Eifenbahnnetzes, zumeift der Hauptlmie
von Welt nach Oft und die vollfte Freiheit des Getreidehandels, ebenfo wie die
höchfte wirthfchaftliche Entwicklung des Getreidegefchäftes find daher wichtige
Elemente des gefammten wirthfchaftlichen Lebens der Völker und oer Bildung
ihrer Einnahmsquellen.
Dergröfste Getreideproducent Europas ift Rufsland. Man fchäzt den
Bedarf an Samenkorn für Sommer- und Winterfaat auf 133-3 Millionen Hektoliter
verfchiedener Getreideforten, wornach die gefammte Getreideernte Rufslands au
560 Millionen Hektoliter angenommen werden kann. Freiheit von Grund und
Boden und Freiheit der Arbeit haben diefe grofsartigen Fortfehritte gegen frühere
Jahre erzeugt. Die gefammte für den Export vorhandene und überfchüffige Menge
Getreide kann 60 bis 70 Millionen Hektoliter betragen. Die gröfste Ausfuhr ift durch-
fchnittlich in Weizen, in Hülfenfrückten und Mehl. Im Jahre 1870 betrug ie
44,242.298 Hektoliter und richtete fich wie immer durch die Häfen des fchwarzen
Meeres, zumeift Odefla, Roftoff, Taganrog und Mariuzol nach England und
Frankreich, Belgien und Schweiz. Den gröfsten Export hat der Hafen Ode a,
den übrigens auch durch alle möglichen Mittel Regierung und Stadt zu heben
fuchten. Der Gefammtexport an Weizeh, Roggen, Gerfte und Hafer betrug 1 70
162,990.000 Rubel, im Jahre 1871 182,948.000, alfo eine Werthfumme, weicie
von der Summe aller übrigen ruffifchen Exportartikel um nur Weniges übertroffen
wird. Für das Jahr 1872 ift ein Rückgang gegen 1871 um 2 /s eingetreten, auf
Grund der befferen Ernten in den Importländern und der fchlechten Ernte in
Rufsland. (W. v. Lindheim: Die wiffenfchaftlichen Verhältniffe des ruffifchen
Reiches, Wien 1878.) .
Oefterreich-Ungarn producirte 1871 eine Durchfchnittsernte, nach
welcher die Menge der Körnerfrüchte betrug: