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Volltext: Die österreichische Special-Ausstellung der Frauenarbeiten auf der Wiener Weltausstellung

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eisernen, ununterbrochenen Fleiss zu erzielen ist. Weniger klar ist meist 
die Frage der Zweckmässigkeit gelöst und die formlosen Kinderhäubchen, 
die spitzendünnen Wäschstücke, die gestickten Heiligen- und Landschafts 
bilder sind alljährlich auf den Ausstellungen von Prüfungsarbeiten in fast 
allen Klosterschulen zu finden. Mit um so grösserer Freude sind die 
Arbeiten zu begrüssen, welche aus solchen Instituten zur Ausstellung 
gelangten und von denen die meisten nur Gutes, Nützliches und Zweck 
mässiges gebracht haben. Wien, Thurnfeld, Innsbruck, Bozen, Roveredo, 
Görz, Laibach, Bischoflack und Kuttenberg haben eingesandt. 
Aus Wien hat die Congregation der Töchter des göttlichen Heilandes 
einen grossen Teppich, von 14 Schülerinnen in Kreuzstich gestickt, aus 
gestellt, und das Kloster von St. Ursula eine ausgezeichnete Sammlung 
von Schularbeiten gebracht, — von Nutzarbeiten und von reizenden 
Luxusdingen, von Buntstickereien, die namentlich durch Zeichnung und 
Ausführung eines Kissens glänzend vertreten sind; auch die Weißstickereien 
sind sehr schön, die Nähereien ausgezeichnete, gediegene Arbeiten. 
Aus Thurnfeld hat die Erziehungsanstalt der Salesianerinnen ein 
gesandt. Diese Schule, welche im Jahre 1859 gegründet wurde, besitzt 
derzeit 72 Schülerinnen, welche in streng klösterlicher Zucht den Unter 
richt in den Elementarkenntnissen, in der italienischen und französischen 
Sprache, Geographie, Weltgeschichte, Naturkunde, in allen Arten weib 
licher Handarbeiten erhalten. Als nicht obligate Lehrgegenstände sind 
die englische Sprache, Gesang, Klavier, Zeichnen und Stenographie dem 
Lehrprogramme beigefügt. Der Nationalität nach gehören die Schüle 
rinnen Nord- und Südtirol, Oesterreich, Baiern, Württemberg, Böhmen, 
Ungarn, Dalmatien und der Türkei an. Die Lehrerinnen sind aus Frank 
reich, Italien, Russland, Preussen, Baiern, Württemberg, Oesterreich, Tirol. 
Die Schülerinnen werden im 10. Lebensjahre aufgenommen und verbleiben 
7 Jahre in der Anstalt, wo sie den Unterricht in wöchentlich 42 Lehr- 
und Arbeitsstunden geniessen. Den Institutsregeln gemäss dürfen die 
Schülerinnen während des Schuljahres nur einmal im Monate im Sprech 
zimmer ihre Eltern sehen, nur einmal im Monate ihnen schreiben und 
wird jeder Brief nur durch Vermittlung der Vorstehung empfangen und 
abgegeben. 
An diese Vorschriften anknüpfend kann ich nicht umhin, auf die 
traurige, dem Leben und der Jetztzeit entrückte Erziehungsweise zurück 
zukommen , welche klösterliche Institute vermitteln. Dass solche aus 
früherer, längst abgethaner Zeit bestehen, ist eine Thatsache, die vielleicht 
schwierig zu beseitigen ist, dass aber solche Institute vor so wenig Jahren 
geschaffen werden konnten, dass sie eine so grosse Zahl von Schülerinnen 
aufnehmen und unpraktisch und untauglich für’s Leben, dem Verkehre 
mit ihren nächsten Angehörigen entfremdet, in klösterlicher Beschränkt 
heit bis zum 17. Lebensjahre erziehen und einschliessen können, das ist 
ein neuerliches Spiel mit dem Lebensglückc ebenso vieler Menschen, denen
	        
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