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Gefangene zur Freiheit zurückkehrt, der Ersteren keineswegs eine genü
gende Versorgung.
Unter i32 Arbeiterinnen, welche der Frauen-Erwerbverein zu Wien
im Jahre 1869 in seiner damals bestehenden Handschuhnähstube beschäf
tigte, war eine einzige, welche die ganz aussergewöhnliche Zahl von 5
bis 6 Paaren per Tag nähte und dafür 80—96 kr. erhielt. Die Durch
schnittzahl der Arbeiterinnen erwarb per Tag 32 kr., wobei noch zu be
merken ist, dass die Entlohnung für solche Arbeit in der Residenz eine
viel höhere ist, als die, welche den Näherinnen auf dem Lande ausgezahlt
wird, da der Arbeitgeber das Risiko und die Kosten der Versendung in
Rechnung zieht.
Ich weiss nicht, ob die Gefangenen zu Neudorf vielleicht nur vor
übergehend, oder der Reihe nach diesem Arbeitszweige zugewiesen sind;
als stehende und einzige Beschäftigung der einzelnen Individuen ist diese
Arbeit eine der traurigsten Zwangsarbeiten, die über Gefangene verhängt
werden kann.
III. Arbeiten von Dilettantinnen.
Wie zu erwarten stand, hat sich diese Abtheilung der Ausstellung
von Frauenarbeiten als ein reiches, mannigfaltiges Bild gestaltet. Was
an Arbeitsmateriale der Frauenhand zu Gebote steht, vom feinen Flor
faden bis zum schweren Goldgespinnste, vom einfachen Leinengewebe
bis zur schimmernden Seide, und was mit diesem Materiale herkömmlich
genäht, gestickt, geknüpft und sonstwie gefügt wird, hat seine Vertretung
gefunden. Mancher Arbeitszweig hat sich dürftig an der Ausstellung
betheiligt, ein anderer reich, mancher, wie die Strickerei, ist fast ganz
fortgeblieben, während einzelne neue Erfindungen der Mode und des
Geschmackes sich in ganz auffallend grosser Zahl von Repräsentanten
eingefunden haben.
Einzelne, seit Jahrzehnten übliche Verirrungen des weiblichen Ge
schmackes, und solche, die sich in der Neuzeit Bahn zu brechen suchen,
hat die Aulnahmsjury nicht zugelassen. Dahin zählen die dicken gestickten
Wollblumen, die gestickten Figuren mit aufgeklebten papierenen Gesichtern,
die Gewürzbouquets, Geräthe aus Waldfrüchten u. s. w.; ebenso wurden
die aufgehefteten Tuchblumen, wenn sie an ungehöriger Stelle angebracht
waren, plumpe Perl- und Straminstickereien und Aehnliches nicht auf
genommen.
Wo die Erfindung mit einigem Rechte für sich plaidirte, wo die
Form den Stoff rettete, wo eine vielleicht dürftige Arbeit als erste Stufe
zu Besserem gelten konnte, da wurde das Werk anstandslos zugelassen,
wenn es auch nicht unbedingt seinen Platz ausfüllte.
Und so wurden denn die Arbeiten von vielen hundert Frauen, das
Eigebniss langer Mühe, manch sorgfältig gepflegtes kleines Kunstwerk,