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Die Frage der Besetzung einer Lehrstelle, wie sie die Arbeitsleh
rerinnen namentlich am Lande einnehmen, ist eine sehr schwierige und
wie viel Einfluss eine solche Frau übt, die lehrend und unterweisend ihre
kleine Mädchengemeinde tagtäglich, jahraus und jahrein um sich versam
melt, haben seit Jahrhunderten schon die Länder bewiesen, in welchen
vorwiegend Klosterschulen den weiblichen Arbeitsunterricht lehren. Es
ist klar, dass wir heute noch keine idealen gebildeten Arbeitsschulleh
rerinnen fordern und erwarten können, namentlich in den Landschulen
nicht, wo ihr Jahrgehalt in den besten Fällen zwischen 40—60 fl. schwankt;
aber wir müssen wo möglich das Beste anstreben und vor Allem bei der
Wahl der Lehrerinnen auf das scrupulöseste zu Werke gehen. Lehrerin
nen, wie die Commission einzelne bei den Vorbereitungen zur Exposition
kennen lernte, die keinen Begriff von Form und Farbe, von Gesetzen des
Geschmackes, der Ordnung und der Reinlichkeit aufweisen konnten, die
werden ihren Platz nie ausfüllen und der Sache hart schaden, da sie all
jährlich fünfzig und mehr kleine Arbeiterinnen aus ihrer Schule entlassen,
die alle die Fehler, die sie dort erworben haben, mit in’s Leben, in die
Familie hinausnehmen.
Ein weiterer Schaden des Unterrichtes ist die Lehrzeit, die ihm ge
widmet ist. In Wien ist der Unterricht in den weiblichen Handarbeiten
für 2 Stunden dreimal die Woche anberaumt; auf dem Lande und selbst
in kleineren Städten wird er in 1, 2, 4 bis 6 Stunden wöchentlich u. z.
in jeder einzeln ertheilt, so dass immer auf einen oder jeden zweiten
Wochentag eine Lehrstunde entfällt. Es ist klar, dass mit solcher Zeit-
eintheilung, die noch vor kurzem an den Volksschulen Wien’s bestand,
nichts erzielt werden kann; bis die kleine Schülerin ihre Arbeit auspackt
und ihre ungelenken Finger in Positur setzt, ist ein guter Theil der Zeit
schon verstrichen; die Stunde ist fast um, ehe die Lehrerin nur die
Hälfte der 40—5o Schülerinnen übersehen kann. Es ist schade um Zeit
und Mühe, die Kinder werden des wiederholten Anfangens, die Lehrerin
der Resultatlosigkeit müde, die Arbeiten werden beschmutzt und unregel
mässig zu Stande gebracht, und vor Allem, die Zeit wird verloren.
Zwei Stunden im Continuum, wo möglich täglich, sind ein ange
messenes Ausmass, um in der gegebenen Lehrzeit die nöthige Fertigkeit
in den Handarbeiten zu erwerben, welche das Programm der Volksschule
begreift.
Ebenso vernichtend wie die geringe oder unpassend geregelte Lehr
zeit ist für den Unterricht die Ueberzahl der Schülerinnen. 5o—55 Zög
linge weisen die Berichte einzelner Provinz- und Landschulen nach und
eine Lehrerin. Wenn man sich die Sysiphusarbeit solchen Unterrichtes
vergegenwärtigt, kann man wohl wenig von dessen Erfolg hoffen. Eine
solche überfüllte Arbeitsstube ist keine Lehrstätte mehr, ihre Besucher
sind mindestens um den besten Theil ihrer Zeit betrogen, und da es
nichts Uebleres gibt, als kleine Mädchen mit der Arbeit in der Hand