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Volltext: Kunst und Kunstgewerbe in Tirol : aus Anlass der kunstgewerblichen Ausstellung in Innsbruck im August 1878. Vortrag gehalten am 14. November 1878 im österr. Museum

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und Künstler. Ohne Zweifel haben sich die Tiroler Holzschnitzer, welche 
bisher keine andere Gelegenheit hatten ihren Geschmack zu läutern, diese 
malerische, halb barocke Behandlung zum Vorbild genommen und schnitzen 
heutigen Tags — selbstverständlich ohne Rücksichtnahme auf das künst 
lerische Eigenthum — jedwedes Gemälde, welches reich an Figuren ist, 
nach, und je schwieriger es ist, desto lieber machen sie es, und glauben 
weiss Gott was für ein Kunstwerk gemacht zu haben. Cohn war aber 
ein Künstler im eigentlichen Sinne des Wortes, ein erfindender Geist, 
der eben in einer Verfallszeit gelebt und trotzdem durch seine Leistungen 
sich über das Mittelmass weit erhoben hat. Die jetzt lebenden Bild 
schnitzer in Tirol sind Copisten, die, so virtuos sie auch ihren Gegen 
stand behandeln, von den Stilgesetzen beim Relief, ja theilweise auc 
von der Behandlung des Holzes nach Flächen, keine klare und deutliche 
Vorstellung haben und deren Erfindungsgabe eine sehr geringe ist Auch 
scheinen die Kunstbücher aus derZeit*) und der Schule Albrecht Dürer s 
den Tirolern fast gänzlich unbekannt zu sein, obgleich in denselben eine 
Reihe von illustrirten Abhandlungen enthalten ist, welche die Behandlung 
des Holzes in der Fläche zum Gegenstände haben und genaue Abbil 
dungen dies im Detail versinnlichen. Bisher hat es in Tirol keine Schu e 
gegeben, welche in diese Verhältnisse ordnend eingegriffen hatte und 
welche die jungen Bildschnitzer in den Elementen der plastischen Kunst 
hätte unterrichten können. Jetzt allerdings ist es anders, insbesondere 
seit der Zeit, da in Innsbruck die allgemeine Zeichen- und Modellirschu e 
gegründet wurde. Es ist gewiss bezeichnend, dass für die von Professor 
Fuss geleitete Modellirschule kein Modellirholz und kein Modellirthon in 
Innsbruck zu haben war. Es ist auch sonst in Innsbruck wenig Gelegen 
heit vorhanden, sich Über die plastische Kunst zu onent.ren. Das Museum 
der Gypsabgüsse an der dortigen Universität verfolgt die Zwecke des ar 
chäologischen Unterrichts und scheint wenig benützt zu werden, und das 
Tiroler Landesmuseum hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, die Gegen 
stände unzugänglich zu machen und selbst den Einheimischen den Zutritt 
zu erschweren. Es ist unglaublich und kommt bei vielen Landesmuseen 
vor, dass sie, entgegen den modernen Ideen Über Organisation und Be 
nützungswerth, ausserordentlich schwer zugänglich sind. Bei vielen derlei 
Anstalten scheint kein anderer Zielpunkt vorhanden, als den Reisenden 
die Anstalt zu erschliessen; für die Bedürfnisse der einheimischen Künstler 
oder Kunstbeflissenen haben die wenigsten Sinn und Verständnis, am 
allerwenigsten aber das in Innsbruck. 
So ungenügend die Kunsttechnik der Tiroler Holzschnitzer ist, in 
noch höherem Grade ungenügend ist die polychrome Behandlung es 
*) Siehe insbesondere Erhard Schön’s »Unterweysung der Proportion und fteliung 
der Boffen u. s. w.« vom Jahre i5 4 3, und Albr. Dürer’s »Vier Bücher von menschlicher 
Proportion« vom Jahre i5a8. Fol. u. s. w.
	        
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