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und Künstler. Ohne Zweifel haben sich die Tiroler Holzschnitzer, welche
bisher keine andere Gelegenheit hatten ihren Geschmack zu läutern, diese
malerische, halb barocke Behandlung zum Vorbild genommen und schnitzen
heutigen Tags — selbstverständlich ohne Rücksichtnahme auf das künst
lerische Eigenthum — jedwedes Gemälde, welches reich an Figuren ist,
nach, und je schwieriger es ist, desto lieber machen sie es, und glauben
weiss Gott was für ein Kunstwerk gemacht zu haben. Cohn war aber
ein Künstler im eigentlichen Sinne des Wortes, ein erfindender Geist,
der eben in einer Verfallszeit gelebt und trotzdem durch seine Leistungen
sich über das Mittelmass weit erhoben hat. Die jetzt lebenden Bild
schnitzer in Tirol sind Copisten, die, so virtuos sie auch ihren Gegen
stand behandeln, von den Stilgesetzen beim Relief, ja theilweise auc
von der Behandlung des Holzes nach Flächen, keine klare und deutliche
Vorstellung haben und deren Erfindungsgabe eine sehr geringe ist Auch
scheinen die Kunstbücher aus derZeit*) und der Schule Albrecht Dürer s
den Tirolern fast gänzlich unbekannt zu sein, obgleich in denselben eine
Reihe von illustrirten Abhandlungen enthalten ist, welche die Behandlung
des Holzes in der Fläche zum Gegenstände haben und genaue Abbil
dungen dies im Detail versinnlichen. Bisher hat es in Tirol keine Schu e
gegeben, welche in diese Verhältnisse ordnend eingegriffen hatte und
welche die jungen Bildschnitzer in den Elementen der plastischen Kunst
hätte unterrichten können. Jetzt allerdings ist es anders, insbesondere
seit der Zeit, da in Innsbruck die allgemeine Zeichen- und Modellirschu e
gegründet wurde. Es ist gewiss bezeichnend, dass für die von Professor
Fuss geleitete Modellirschule kein Modellirholz und kein Modellirthon in
Innsbruck zu haben war. Es ist auch sonst in Innsbruck wenig Gelegen
heit vorhanden, sich Über die plastische Kunst zu onent.ren. Das Museum
der Gypsabgüsse an der dortigen Universität verfolgt die Zwecke des ar
chäologischen Unterrichts und scheint wenig benützt zu werden, und das
Tiroler Landesmuseum hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, die Gegen
stände unzugänglich zu machen und selbst den Einheimischen den Zutritt
zu erschweren. Es ist unglaublich und kommt bei vielen Landesmuseen
vor, dass sie, entgegen den modernen Ideen Über Organisation und Be
nützungswerth, ausserordentlich schwer zugänglich sind. Bei vielen derlei
Anstalten scheint kein anderer Zielpunkt vorhanden, als den Reisenden
die Anstalt zu erschliessen; für die Bedürfnisse der einheimischen Künstler
oder Kunstbeflissenen haben die wenigsten Sinn und Verständnis, am
allerwenigsten aber das in Innsbruck.
So ungenügend die Kunsttechnik der Tiroler Holzschnitzer ist, in
noch höherem Grade ungenügend ist die polychrome Behandlung es
*) Siehe insbesondere Erhard Schön’s »Unterweysung der Proportion und fteliung
der Boffen u. s. w.« vom Jahre i5 4 3, und Albr. Dürer’s »Vier Bücher von menschlicher
Proportion« vom Jahre i5a8. Fol. u. s. w.