besitzen, so nennt sich auch in Tirol jeder, der ein Bischen schnitzen kann,
Bildhauer, der aquarelliren kann, mit Vorliebe Maler, auch »Kunstmaler«,
welche Neigung zum Künstlerthum zwar ihre Lichtseiten, noch mehr
aber Schattenseiten hat.
In Tirol ist jetzt eine relativ geringe Neigung vorhanden, sich mit
dem Handwerk zu beschäftigen und seine Kunstfertigkeit einem Gewerbe
zu widmen. Es ist daher begreiflich, dass in Folge dessen die Kunst im
Handwerk durch lange Zeit in Tirol geringer geschätzt wurde, als sie es
verdient. Die Kunsthandwerker des i5. und 16. Jahrhunderts waren viel
geschickter, viel geübter und relativ künstlerisch begabter als die gegen
wärtigen. Ist die Trennung von Kunst und Handwerk heutigen Tags in
der ganzen Welt stärker, als dies in früheren Jahrhunderten der Fall war,
so ist diese Wahrnehmung auch bei den Tiroler Handwerkern zu machen.
Allerdings bereitet sich gegenwärtig eine Wendung zum Bessern vor. Das
Loos der Künstler ist heutigen Tags kein so glänzendes, dass um des
Glanzes und der materiellen Vortheile willen sich Jemand sehr angezogen
fühlen könnte, die Künstlerlaulbahn zu betreten. Es gehört gegenwärtig
eine grosse Willenskraft, vielfache Entsagung und ein reiches Talent dazu,
den Künstlerberuf zu ergreifen. Im Kunsthandwerk gestaltet sich die
Sachlage etwas günstiger. Jeder Handwerker und jeder Industrielle^ der
sein Metier versteht und sich die entsprechende Kunstfertigkeit erworben
hat, kann darauf rechnen, eine achtbare und auch materiell erfolgreiche
Stellung im Leben einzunehmen. Die diesjährige Ausstellung in Inns
bruck dürfte viel dazu beigetragen haben, die Ideen hierüber zu klaren
und Diejenigen aufzumuntern, welche die Kunst im Handwerk pflegen
wollen. Die zahlreichen Fachschulen, die jetzt in Tirol existiren und die
noch vor einem Jahrzehnt nicht vorhanden waren, sind ein nicht zu un
terschätzendes Bildungselement für das ganze Gebiet der Kunstgewerbe.
Da diese Schulen sämmtlich bestimmte Zielpunkte verfolgen, das rein
Künstlerische und Akademische ausschliessen und die Zöglinge auf die
gewerbliche Thätigkeit hinweisen, so dürfte es nicht zu lange Zeit brau
chen , bis das Kunstgewerbe in Tirol einen erfreulichen Aufschwung
nehmen wird. Unter den verschiedenen Arbeiten, welche einzelne Schulen
ausgestellt haben, waren nicht wenige, die höchst achtbare Resultate er
zielten und die deutlich zeigten, dass es bisher in Tirol wesentlich nur
an Schulung der Kräfte gefehlt hat. Diese Schulung wird jetzt der
jüngeren Generation zu Theil, und auch schon unter den gegenwärtigen
Gewerbetreibenden gibt es Manche, die sich der modernen Bewegung mit
Talent und Erfolg angeschlossen haben. Insbesondere waren es einige
Tischlerarbeiten von Trenkwalder und Konzert, sowie einige weib
liche Arbeiten, welche die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde erregten.
Relativ am wenigsten befriedigten die Gürtlerarbeiten; überhaupt lasst
metallurgische Technik in Oesterreich, wenn wir vielleicht Wien aus
nehmen, ausserordentlich viel zu wünschen übrig.