MAK

Volltext: Kunst und Kunstgewerbe in Tirol : aus Anlass der kunstgewerblichen Ausstellung in Innsbruck im August 1878. Vortrag gehalten am 14. November 1878 im österr. Museum

nach der Erhöhung der Exportfähigkeit der einheimischen Producte. Und 
trotzdem ist dort ein grosser Theil der Bevölkerung so engherzig; dass 
sie, was nicht von Tirol selbst ausgeht, als fremd gewissermassen perhor- 
resciren und nur sehr wenig Neigung verspüren sich mit Elementen zu 
assimiliren, die nach Tirol eingewandert sind oder dorthin berufen wur 
den , wenn auch in der Absicht, den Wohlstand des Landes zu heben. 
Allerdings weist die Geschichte, insbesondere die Kunstgeschichte, darauf 
hin, dass dieser Standpunkt zur Zeit der Blüthe der Kunst in Tirol nicht 
massgebend war. Auch im Mittelalter Hess man sich nicht von localen 
Gesichtspunkten leiten, welche erst später, in der Verfallszeit der Kunst, 
zur Zeit des Zunftwesens in das Fleisch und Blut der Bevölkerung über 
gegangen sind. Die deutschen Bauhütten speciell waren auf den geistigen 
Verkehr mit der gesammten katholischen Bauwelt angewiesen und haben 
der freien Wanderung der Steinmetzen und aller jener Künstler, die zur 
Bauhütte gehörten, keine Schwierigkeiten bereitet, sondern diese eher 
gefördert. Nie würde die Architektur des Mittelalters zu solcher Blüthe 
gelangt sein, wenn in Tirol nur der Tiroler, in Prag der Böhme und 
in Wien nur der Niederösterreicher zum Baue von Münstern und Klö 
stern berufen worden wäre. Was Tirol selbst an Kunstwerken besitzt, ist 
eben so sehr den einheimischen Kräften als den Nachbarländern zuzu 
schreiben, insbesondere die Künstler Oberitaliens haben bis zum Aus 
gange des verflossenen Jahrhunderts einen grossen Einfluss auf die tiro- 
lische Production geübt, wie es die hervorragendsten Bauwerke in Tirol 
zeigen. So oft in Tirol ein grösseres geistiges Leben blühte, stand Tirol 
in Mitten der Strömungen der ganzen Kunst und Wissenschaft. Die Ab 
geschlossenheit von den Nachbarländern war die Zeit der Versumpfung 
— der regere Wechselverkehr erzeugte die Blüthe der Kunst und Wissen 
schaft. Um den geistvollen Sohn Ferdinand I., den Schöpfer Ambras’, Erz 
herzog Ferdinand (1529 — 15g5), gruppirten sich Einheimische und Fremde 
in lebendigem Wechselverkehr. Der Archivar und Geschichtsforscher des 
mittelalterlichen Tirol und der Kriegsgeheimschreiber Jos. Putsch war ein 
Badenser, Gerard van Roo, Leiter der Hof-Singschule und Geschichtsschrei 
ber, war wie der Miniaturmaler Hufnagel, der Bildhauer Alex. Colin, der 
gelehrte Orientalist A. Gislain Busbek, Niederländer, die Bildhauer Abel aus 
Cöln, der Bildhauer Lud. della Duca und der Architekt der Hofkirche 
Max della Bocca waren Italiener. Mit ihnen wirkten einheimische Dichter 
und Bildhauer, Rechtsgelehrte und Erzgiesser. Bei der Ausschmückung 
des Schlosses Velthurns wirkten einheimische und deutsche Kräfte zusam 
men. Sie waren sich ebenbürtig und standen auf einer gleich hohen Stufe 
kunstgewerblicher Leistungsfähigkeit. Der deutsche Minnegesang hat in 
Tirol seine Heimat, und die Fresken von Runkelstein, welche die Gesänge 
von Tristan und Isolde verherrlichen, bezeugen den geistigen Wechselver 
kehr Tirols mit dem deutschen Reiche. Auch die Blüthe der heutigen 
Innsbrucker Universität ist dem geistigen Wechselverkehr der Gelehrten
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.