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hausern älteren Datums, wäre eine schöne Aufgabe für jüngere Architekten.
Das städtische Wohnhaus und die Kirchen Tirols folgen dem Zeitge
schmäcke; die Architektur ist für einen grossen Theil Europas eine inter
nationale Kunst, die nicht nach localen Gesichtspunkten erörtert werden
kann. Der kirchliche Sinn, der den Tirolern, insbesonders der Landbe
völkerung eigen ist, wendet sich mit Vorliebe der Kunst in der Kirche
zu. Es gibt wohl keine bessere Familie und kein wohlhabenderes Bauern
haus, wo nicht ein kirchliches Bild zu finden wäre. Die Malerei hat daher
ein ausgiebiges Feld. Neben dem peintre artiste gibt es Bauernmaler und
eine Art Schule für diese Bedürfnisse. Unter den Malern, welche für die
Kirche arbeiten, nehmen Mader und Plattner eine geachtete Stellung
ein. Für Kirchenschmuck ist immer Geld vorhanden, und die Kirchen in
Tirol würden wohl viel reicher an Kunstschätzen sein, wenn sie nicht von
reisenden Kunsthändlern vom Inlande als Auslande fast systematisch aus
geplündert worden wären, und wenn nicht der moderne Unverstand, dei
diese künstlerische Beschäftigung für Kirchen und die künstlerisch-religiöse
Inspiration geringschätzt, manche Quelle der Künstlerbeschäftigung ver
stopft hätte. Rühmt sich doch ein ausländischer Kunsthändler, er habe
aus Tirol allein 20 schöne gothische Altäre weggeschleppt, und ist nicht
eine bekannte Kunstanstalt in München bemüht, Tirol mit Werken kirch
licher Kunst zu versehen, die früher im Lande selbst erzeugt wurden?
Wohin man kommt, von Kirche zu Kirche, hört man bei Nachträgen,
»das ist aus der M. . .'sehen Anstalt«, und so entgeht dem Lande nicht
blos eine Einnahmsquelle, sondern auch eine Quelle ausgiebigei künst
lerischer Beschäftigung. Wie viel an Kunstschätzen trotz den Verschlep
pungen noch im Lande vorhanden ist, davon hat die kunstarchäologische
von Dr. Schönherr einsichtig geleitete Abtheilung auf der Innsbruckei
Ausstellung beredtes Zeugniss abgelegt. Es wäre leicht gewesen, das Dop
pelte und Dreifache auszustellen, wenn der Raum dazu vorhanden gewesen
wäre und nicht blos der reiche und vornehme Bewohner hat das Material
für diese archäologische Ausstellung geliefert, sondern ein nicht geringer
Theil stammte von Besitzern aus Gesellschaftskreisen, die in anderen Län
dern von eigentlichen Kunstwerken ganz entblösst sind. Aber es war wahr
lich sehr gut, dass eine Veranlassung geboten wurde, Tirol über sich selbst
zu orientiren. Es wird jetzt klarer und zielbewusster seinen Aufgaben
gerecht werden können, die es in Zukunft zu lösen haben wird. Wie jung
gewisse Zweige der Industrie in Tirol noch sind, hat die Ausstellung be
wiesen. Zum ersten Male kam ein Klavier zur Ausstellung, welches im
Lande selbst erzeugt wurde, zum ersten Male kam wieder nach langer
Zeit ein Ofen mit glasirten Kacheln zur Geltung! Wenn irgend eine That-
sache das Sinken des Kunstgewerbes bezeichnet, so ist es diese. Tirol
ist voll von schönen alten glasirten Oefen; es unterliegt keinem Zweifel,
dass diese Oefen, welche man in Tirol findet, mit ihrem reichen orna
mentalen Schmuck und mit reizenden Emailfarben fabricirt wurden, im