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Volltext: Die Glasindustrie (Gruppe IX, Section 3), offizieller Ausstellungs-Bericht

Das venetianifche Glas. 
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Bildfamkeit des Materials veranlafst, den Gefäfsen überaus complicirte Formen 
zu geben, die Ständer der Trinkgefäfse oder fonftige Glieder feines Geräthes 
mit allerlei Nebenzierath zu fchmücken, das wohl feine Gefchicklichkeit erken 
nen läfst, aber keineswegs immer die Schönheit erhöht und noch dazu den Feh 
ler begeht, die Arbeit äufserft heikel und brechlich erfcheinen zu laffen. Ins- 
befondere durch diefe Uebertreibung wird dem venetianifchen Glafe der Charakter 
des Luxusgeräthes aufgedrückt, der fonft keineswegs mit ihm verbunden zu fein 
braucht. In befcheidener Art gehalten, eignet es fich für den allgemeinen 
Gebrauch fo gut wie ein anderes. 
Die zweite Att der Erweiterung befteht in der Flinzufügung der Farbe, 
welche das englifche und böhmifche Kryftallglas gerade in feinen fchönften und 
edelften Arbeiten völlig ausfchliefst. Diefe Anwendung der Farbe gefchieht nun, 
gröfstentheils nach den alten Vorbildern, in höchft mannigfacher und zum Theil 
fehr kunflvoller Art, aber faft durchgängig fo, dafs das Material des Glafesfelbft 
fchon gefärbt ift, fei es in der Hauptmaffe des Gegenflandes, fei es in den Thei- 
len, die ornamental hinzugefügt find. Die eigentliche, vor allem figürliche 
Malerei, wie fie der franzöfifche Gefchmack vom Porzellan auf opak gemachtes 
Glas, insbefondere auf das fogenannte Beinglas übertragen hat, ift vom richtigen 
venetianifchen Glafe principiell ausgefchloffen. Einzelne Beifpiele und Verfuche 
bilden Ausnahmen. Nach echt Venetianer Art ift das Glasgeräth entweder in 
feiner ganzen Maffe farbig, fo dafs es bei durchfallendem Lichte mit dem Spiel 
feiner Farbe wirkt. Diefs gilt von verfchiedenen Farben, z. B. von dunklen Tönen 
in Roth, Blau und Grün, in bevorzugter Weife aber von dem Opalglas, das irifi- 
rend je nach dem Lichte höchft wechfelnde Farbenfpiele zeigt Oder — und das 
ift der zweite Fall — es ift andersfarbiges Glas in die klare Grundmaffe durch 
den Schmelzungsprocefs eingelegt, fei es in Fäden, die das Glas fpiralig umzie 
hen und fich durchkreuzen (reticulirtes oder Filigranglas), oder in Blumen und 
fonftigen einfachen Figuren (Millefioriglas). Drittens fetzt man dem Geräthe 
Flügel, Knöpfe, Rofetten oder fonftige Blumen aus transparentem wie opakem 
Glafe an, die meift in ziemlich naturaliftifcher Bildung gehalten find, obwohl 
gerade fie dem Material wenig angemeffen ift. Es ift das auch eine Decorations- 
weife, die vor Zeiten fchon der Decadenz des Muranefer Kunftglafes angehörte. 
Mit diefen Bemerkungen ift die Hauptmaffe des venetianifchen Glafes, 
wie es auf unferer Weltausftellung erfchienen, bereits gefchildert. Gefäfs und 
Geräth, faft alles mit dem Anfpruch, Kunftarbeit zu fein, bildeten den Haupt- 
beltandtheil. Die Namen der Ausfteller waren nicht zahlreich; da fie aber alle 
von derfelben Stätte der Induftrie gekommen und diefe Induftrie fehr einheitlich 
und eigenartig in ihrem Charakter ift, fo hätten der Namen mehrere — und die 
Infel Murano hätte noch manchen anderen fenden können — wohl die Menge 
vermehren, uns aber nicht neue Seiten diefer Induftrie erfchliefsen können. Das 
Etabliffement von Salviati allein umfafste fo ziemlich alle Zweige; nennen wir 
noch Lorenzo Radi, Antonio F uga. Giovanni F uga, die Gebrüder T o fo mit 
ihren Lüftern, fo ift auch alles umfafst, was die venetianifche Glasausftellung 
Lehrreiches darbot. Leider war ihr nur ein äufserft befchränkter Platz zur Ent 
faltung angewiefen, der zu äufserfter Gedrängtheit zwang und durch die lieber- 
fülle den Eindruck des Einzelnen fchädigte. 
Den vorwiegendften Theil der Salviati-Ausftellung bildeten die Gefäfse, 
fowohl Trinkgefäfse, wie Teller, Frucht- und Blumenfchalen, Vafen, Leuch 
ter u. f. w. Wie fie den Reichthum der Formen zeigten, ebenfo den Reichthum 
der farbigen oder fonft der technifchen Decoration, wie Gefäfse oder Reihen von 
Gefäfsen, Garnituren, die durch ihre Einfachheit fich dem unmittelbaren Ge 
brauche empfahlen, ebenfo folche, die an Kühnheit, an Ueberkiinftlichkeit, wenn 
man will, nichts zu wünfchen übrig liefsen. Die Gefchicklichkeit hat in diefer 
Beziehung trotz der kurzen Zeit wieder den höchften Grad erreicht. Selbft 
deutfche Weingläfer, z. B. die berühmten Römer, waren in dem milden Ton der
	        
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