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Volltext: Die Glasindustrie (Gruppe IX, Section 3), offizieller Ausstellungs-Bericht

Das englifche Glas. 
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Glasfabrikation auf unfere Weltausflellung brachte, gaben offenbar auch diefes 
Beflreben zu erkennen und infofern offenbarten fie einen Fortfehritt des 
Gefchmacks im Vergleich zu den Gegenfländen auf der letzten Parifer Aus 
füllung. 
Es waren im Verhältnifs nur wenige englifche Glasfabrikanten, die auf der 
Wiener Ausflellung erfchienen waren: James Green, Pellatt & Wood, 
Daniel & Son, E. Moore & Co., aber fie zeigten alle die gleiche Tendenz. Der 
diamantirte Brillantfchliff war von allen gleichmäfsig geübt und in derfelben 
künfllerifchen Art, mit demfelben Ziele, möglichfl farbige Effedle hervorzubringen. 
Die Anwendung befchränkte fich nicht blos auf Flafchen und Gläfer; Salzfäffer 
z. B. waren in höchft raffinirter Weife wie ein riefiger Brillant gedacht, aus 
welchem eine Vertiefung zur Aufnahme des Salzes ausgefchliffen war. Natürlich 
war die Wirkung in ftarkem Lichte eine aufserordentliche. Glasluftres waren 
nicht zahlreich vorhanden, aber unter ihnen erglänzte einer bei James Green, 
der überhaupt auf diefer Ausftellung als der erfle Vertreter des englifchen Glafes 
erfchien, von fabelhafter Pracht. Bei feiner koloffalen Gröfse aus zahllofen Bril- 
lantkryflallen zufammengefetzt, war er in der That von einem Effedle, mit dem 
fich nichts weiter vergleichen liefs. Aber vom Standpunkt eines feineren Kunfl- 
gefühls, vom Stand der Form und der Schönheit feiner Linien und Glieder bot 
er allerdings Schwächen genug. Das fpecififche Princip des englifchen Kryflall- 
glafes war aber bei ihm auf die höchfte Potenz erhoben und infofern war diefer 
Lüfter bei James Green fein vollkommenster Repräfentant. 
Doch diefes fpecififche, auf die farbige Lichtbrechung berechnete Princip 
des englifchen Glafes, obwohl auf feiner eigentlichen Natur beruhend, bildet 
doch nur die eine Seite feiner Fabrikation, und zwar die minder edle. Die andere 
Seite, welche ebenfo von allen Fabrikanten geübt wird und auf unferer Welt 
ausflellung mindeftens gleichbedeutend auftrat, nimmt das Glas als geblafenen 
Kryftall, fucht ihm nach den Muftern der kryftallenen Renaiffancegefäfse, der 
alten venetianifchen Gläfer oder auch der griechifchen Thonvafen möglichfl 
elegante und edle Form zu geben, facettirt aber diefe Form nicht gleich dem 
Kryftall oder den älteren böhmifchen Arbeiten, fondern überzieht die fpiegel- 
glänzende Rundung mit eingefchliffenen, neuerdings auch mit geätzten Orna 
menten. Eine Zwifchenart — und es gab viele Beifpiele davon auf der Ausftel 
lung — fucht auch diefe edleren und feineren Gefäfse mit diamantirter Mufterung 
im Brillantfchliff ganz oder theilweife in beflimmter Zeichnung zu überziehen, 
und manmufs geliehen, dafs der englifche Arbeiter in der Ausführung diefes 
Schliffes auf der äufserft dünnwandigen runden Fläche eine bewundernswerthe 
Gefchicklichkeit an den Tag legt. Dennoch find Art und Wirkung diefer Gläfer 
nicht als gelungen zu betrachten, da die kleinen Kryftallformen, welche auf diefe 
Weife erlaubt find, weder für fich in der Zeichnung Schönheit haben, noch eine 
farbige Wirkung zu erzielen im Stande find. Sie geben nur weifses Licht. 
Das Wefen der zweiten Hauptart fieht ganz von der farbigen Wirkung ab. 
Ihre künfllerifchen Eigenfchaften beftehen in der Schönheit der Gefäfsform, 
fowie in der Schönheit und Angemeffenheit des mit Gravirung oder Aetzung 
darauf angebrachten Ornamentes. Was den erflen Punkt, die Form betrifft, fo 
find es bei den englifchen Fabrikanten gegenwärtig vorzugsweife die antiken 
Thongefäfse, welche als Motive benützt werden. Sie müffen freilich vielfach ver 
ändert werden, theils des anderen Materials, theils der verfchiedenen Art des 
Gebrauches wegen, aber im Allgemeinen ift diefs mit grofsem Glück gefchehen. 
Die englifche Glasausflellung zeigte in Flafchen, Kannen und Krügen (jugs) 
höchfl ausgezeichnete und gefällige Formen, und keineswegs in einzelnen, viel 
mehr in zahlreichen Beifpielen. Minder glücklich waren vielleicht die Trink- 
gefäfse, insbefondere die Weingläfer, welche, da ihnen die direkten antiken Vor 
bilder fehlen, felbflfländiger erfunden werden müffen. Auch hiefiir gibt es 
allerdings gute Mufler fowohl in den feltenen Gefäfsen der Renaiffance aus
	        
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