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Volltext: Die Glasindustrie (Gruppe IX, Section 3), offizieller Ausstellungs-Bericht

Das böhmifche Glas. 
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Porzellan. Die Franzofen, deren Beifpiel wir ja nur in diefem ganzen Genre fol 
gen, handeln darin viel klüger. Sie halten alle diefe Gemälde viel duftiger und 
zarter, wodurch diefelben weniger aufdringlich erfcheinen und mit dem Material 
fich harmonifcher zu einer Gefammterfcheinung verfchmelzen. Hier allein ift der 
Punkt, der diefe bemalten Glasgefäfse für ein künftlerifches Auge erträglich 
macht. Wir glauben aber auch nicht, dafs fie noch eine lange Dauer haben wer 
den. Der Gefchmack drängt dahin, jeden Gegenftand nach den innewohnenden 
Kunfleigenfchaften des Materials zu geftalten und zu fchmücken und nicht den 
Nachdruck auf eine fremde Kunftweife zu legen, die zur Hilfe herbeige 
zogen wird. 
In diefer Beziehung fcheint ein anderer höchft bedeutender Zweig der 
öfterreichifchen Glasinduftrie, der uns noch zur Befprechung obliegt, derjenige 
der Spiegel und Luftres, eine fehr glückliche Richtung einzufchlagen. Die Spiegel 
waren bisher von unferem Standpunkt aus eigentlich von gar keiner Bedeutung, 
denn die Glastafel, die ohnehin künftlerifch nicht in Frage kommt, war meiftens 
vom Auslande geliefert und der Rahmen war Schnitzer-, Tifchler- oder Vergolder 
arbeit. Neuerdings aber, wie man zu fo vielen alten Kunflweifen zurückkehrt, hat 
man auch die alten böhmifchen Spiegel mit Spiegelrahmen wieder aufgenommen. 
Das Genre ift zwar erft in der barocken Zeit entstanden, und diejenigen Spiegel, 
die uns von diefer Art aus alter Zeit erhalten worden und heute von Alterthums 
freunden und Kunftfammlern gefucht werden, find meift fehr verzopft in der 
Form des Rahmens, fowie einigermafsen roh in dem eingefchliffenen Ornament. 
Nichtsdeftoweniger find fie decorativ von fehr guter Wirkung, und es war ein 
vollkommen richtiger Gedanke, fie wieder zu beleben und in ihrer Weife zu ver 
edeln. Das war auf unferer Ausftellung mehrfach gefchehen, z. B. von Jofef Tau- 
fig & Comp, in Wien, fowie auch von der Firma J. & L. Lobmeyr, die fich 
für die Zeichnung der künftlerifchen Gefchicklichkeit Storck’s bedient hatte. 
Wir werden fpäter fehen, dafs auch Frankreich ein paar vortreffliche Beifpiele 
zur Ausftellung gefendet hatte. Ein anderes älteres Genre von künftlerifch ver 
zierten Spiegeln, welches allein die Firma J. & L. Lobmeyr wieder aufgenommen 
hatte, war dasjenige mit Malereien unmittelbar auf der Spiegelfläche, wobei die 
Gegenftände frei in der Luft zu fchweben fcheinen. Im XVII. und XVIII. Jahr 
hundert liebte man es, reiche Blumenguirlanden in diefer Weife gewiffermafsen 
frei über den Spiegel zu hängen. Die Beifpiele von Lobmeyr zeigten im oberen 
Halbrund fchwebende Genien, welche von Eifenmenger ausgeführt waren. 
Kehren die Spiegel zu alten Manieren zurück, fo find die Glasluftres eher 
gezwungen, fich davon zu entfernen, um den rechten Weg zu finden. Vorbilder 
find die alten Kryftallluflres mit angehängten prismatifch gefchliffenen Stücken, 
deren Aufgabe es ifl, möglichft viel Lichter auszuftrahlen. Diefe Manier ift höchft 
vortrefflich für das englifche Glas, weil hier zu dem Licht noch das wunderbare 
Farbenfpiel hinzutritt, wie das oben fchon ausgeführt worden. Aber eben weil 
diefes Farbenfpiel dem böhmifchen Kryflallglafe fehlt oder bei weitem nicht in 
gleichem Mafse zu Gebote fleht, vermag der gleich geformte böhmifche Lüfter 
niemals den Effedl des englifchen zu erreichen und füllte fich daher auf eine 
andere künftlerifche Bafis Hellen. Diefe andere Bafis ift die der fchönen Form, 
der eleganten Bildung fowohl des Hauptftammes, wie der Seitenarme, welche 
einen fchönen Schwung verlangen, fowie endlich ein gutes Verhältnifs derTheile 
unter einander. Diefe Seite wird von den englifchen Glasluftern vernachläffigt. 
Dafs fie von der böhmifchen Induftrie bereits begriffen worden, zeigten viele Bei 
fpiele in der zahlreichen und grofsartigen Ausftellung von Glasluftern, welche in 
diefem Sinne fowohl die englifchen, wie die frarlzöfifchen Luftres, deren z. B. 
Barbedien ne eine Anzahl gröfserer Exemplare ausgeftellt hatte, entfchieden 
übertrafen. Sie übertreffen darin auch ihre älteren Vorbilder, welche, dem XVIII 
Jahrhundert angehörig, höchft feiten um die Gefammtfchönheit bekümmert find, 
fondern fich mit dem Lichterfpiel begnügen.
	        
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