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Volltext: Die Glasindustrie (Gruppe IX, Section 3), offizieller Ausstellungs-Bericht

II. Tafelglas. 
Alle nur einigermafsen entwickelten Induftrieftaaten Europa’s, dann Ame 
rika, erzeugen geblafenes, nicht gefchliffenes Tafelglas. 
Zur gröfsten Bedeutung für den Weltmarkt hat es hierin das fo rührige 
Belgien gebracht. Es liefert Tafeln von guter, gleichmäfsiger und nicht theurer 
Qualität, verfendet fie nach allen Staaten in den Gröfsen und in der Verpackung, 
wie diefs jeweilig verlangt wird, ift rafch und verläfslich in der Ausführung, 
immer beftrebt, den Bedürfniffen der verfchiedenen Märkte mit wachfamem Auge 
zu folgen, ihnen thunlichft Rechnung zu tragen und die neueften Erfindungen 
und VerbelTerungen auf diefem Gebiete fchnell einzuführen. 
Belgien erzeugt jährlich auf 197 Oefen über 20 Millionen Quadratmeter 
Tafeln im Werthe von 40, im Jahre 1873 felblt 50 Millionen Francs, wovon es 
nur an 5 Percent im eigenen Lande verbraucht. 
Frankreich, das nach den letzten Ausweifen vom Jahre 1872 für 22 Mil 
lionen Francs Tafelglas producirte und bisher im eigenen Lande verbrauchte, ja 
felbft die Verforgung der Colonien mit diefem Artikel zumeift Belgien überliefs, 
hat in jüngfter Zeit in der Tafelglasfabrikation grofse Anftrengungen gemacht 
und bietet letzterem auch fchon auf manchen Märkten des Auslandes beachtens- 
werthe Concurrenz. 
Die belgifchen Fabrikanten fchreiben diefs der billigeren Arbeitskraft in 
den Norddepartements Frankreichs, der hohen Entwicklung der dortigen chemi- 
fchen Fabriken, den geringeren Abgaben auf Salz, endlich dem Umftande zu, 
dafs Frankreich den „Holzbedarf für die Verpackung“ im eigenen Lande findet, 
während Belgien ihn vom Auslande holen mufs. Sie erwarten — es ift diefs 
beachtenswerth — eine wirkfame Abhilfe von der „Aufhebung des Einfuhrzolles 
auf Kiftenholz“ nach Belgien, und find darum neuerdings bei der Regierung ein- 
gefchritten. 
Die höchfte Verwerthung aller Capital- und Arbeitskräfte führt zweifellos 
allein zur gröfsten volkswirthfchaftlichen Blüthe des Staates, und es wäre defs- 
halb ungleich nachtheiliger, jene Kräfte auch nur theilweife brach liegen zu 
laffen, als mäfsige direkte Opfer zu bringen, um die Arbeit bedeutend zu fördern. 
Da wir den belgifchen Fabrikanten ficher Zutrauen können, dafs fie eben fowohl 
die Urfachen eines Uebelftandes auf ihrem Gebiete zu erkennen, als auch die 
Mittel für deffen Abhilfe zu erwägen wiffen, fo können wir aus diefem Falle 
, erfehen, wie felbft bei einer hochentwickelten Induftrie kleine, unfeheinbare Fac- 
toren zur Bedeutung gelangen können. Wir erfehen daraus aber gleichfalls, dafs 
bei entfprechender Rührigkeit und verftändiger Einleitung auch ein von einer 
Seite felbft lange behaupteter Markt von Dritten neu gewonnen werden kann, 
wie nicht minder, dafs fich die Induftriellen nie der behaglichen Zuverficht hin 
geben dürfen, das beherrfchte Abfatzgebiet unbeftritten zu befitzen. Das fran- 
zöfifche Tafelglas ift etwas weifser als das belgifche, unterliegt aber mehr dem 
„Irifi'ren“ oder dem fogenannten „Abftehen“, das man, wie behauptet wird, in 
Belgien dadurch gänzlich befeitigte, dafs die Tafeln, wenn fie aus dem Streck 
ofen kommen, in Waffer, dem man der Menge nach 1 bis 2 Percent Salzfäure 
oder eine andere mineralifche Säure beigemengt hat, getaucht und dann forgfältig 
gereinigt werden.
	        
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