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Volltext: Die Glasindustrie (Gruppe IX, Section 3), offizieller Ausstellungs-Bericht

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L. Lobmeyr. 
Belgien, das in der Spiegel-, Tafel- und Halbkryftallglas-, dann in der 
Weinbouteillen-Fabrikation fo dominirend auftritt, hat fich mit dem eigentlichen 
Luxusglafe flets wenig befchäftigt; es betreibt vor allem Maffenprodudlion. 
England cultivirt das Kryflallglas, das es auch in unvergleichlicher Schöne 
liefert, nebenher nur wenig das transparente Farbenglas. 
Frankreich erzeugt nebft hübfchem Kryftallglafe die vollftändigfte Scala 
des jetzt überhaupt vorkommenden Farbenglafes und ifl damit Oefterreichs bedeu- 
tendfter Concurrent. 
Deutfchland producirt in einigen baierifchen und anderen Fabriken meift 
mittelfeine Waare, feinere Qualitäten namentlich von Farbenglas liefert nur die 
gräflich Schaffgotfch’fche Fabrik Jofefinenhütte bei Warmbrunn in Schlefien und 
St. Louis in Elfafs-Lothringen. 
In Oefterreich, und zwar fpeciell nur in Böhmen wurde von jeher auf den 
Fabriken von Meyr’s Neffen fowohl Kryflall- als Farbenglas am vorzüglichften 
gefchmolzen, eine Menge matter und anderer Farben verdanken dem jetzigen 
Chef der Firma, Wilhelm Kralik sen., ihre Erfindung und man ifl dort unaus- 
gefetzt beftrebt, den höchften Anforderungen der Zeit zu genügen. 
Ebenfo hat fich auf gleichen Gebiete die gräflich Harrach’fche Fabrik 
„Neuwelt“ flets durch ausgezeichnete Leiflungen, befonders durch die Erzeugung 
herrlicher Rubingläfer und Artikel in anderen Ueberfangfarben, ferner von den 
venetianifchen nachgebildeten Faden-, Aventurin- und anderen Gläfern und auch 
mancher matter Glasfarben hervorgethan. 
Die Firma J. Schreiber und Neffen richtete dagegen ihr Hauptaugenmerk 
zumeift darauf, den Glasraffineuren, welche in der böhmifchen Glasinduflrie 
eine fo bedeutende Rolle fpielen, befferes und billigeres Rohmaterial zuzufüh 
ren, und erreichte in diefem Streben nicht nur höchfl Anerkennenswerthes, fon- 
dern ermöglichte damit in der Erzeugung von Maffenartikeln einen grofsen Auf- 
fchwung. 
Von den Fabrikanten, welche fich an der Ausflellung betheiligten, wären 
noch diefsfalls J. E. Schmid in Annathal, C. Bodenmüller & Comp, in Neu- 
hurkenthal und nicht minder S. Reich & Comp, in Wien zu nennen, von denen 
der erflere durch das fchöne feurige Kryflallglas, Bodenmüller durch die feinen 
und fatten Töne feiner farbigen Waaren, und der letztere fowohl was die Kryflall- 
als Farbengläfer betrifft, und zwar durch diefe um fo mehr, überrafchte, als der- 
felbe mit gleich feinen eigenen Produdlen noch nie auf dem Markte erfchie- 
nen war. 
Es gibt in Oefterreich und befonders in Böhmen noch eine Menge Fabri 
ken, welche fich nur mit der Erzeugung des Rohglafes, nämlich dem Schmelzen 
der Glasmaffe, und dem Blafen oder Preffen derfelben in Formen, wie fie die 
Raffineure verlangen, befallen; das Schleifen, Graviren oder Vergolden aber 
diefen gänzlich überlaffen. 
Diefe und auch die übrigen Fabriken find meift des billigen Holzes wegen 
noch abfeits vom grofsen Verkehre in waldiges Terrain gelegt, doch fcheint fich 
Jiierin eine allmälige Wandlung vorzubereiten. 
Man wird nämlich von der Holzfeuerung allgemach abgehen, vom Walde 
immer unabhängiger werden, fich den Kohlen-, den Torf- oder den Diftridlen 
mit anderen foffilen Brennftoffen nähern, wahrfcheinlicher aber die Fabriken 
an Bahnen oder Wafferftrafsen legen, welche jene Materialien billig beizufchaffen 
vermögen und zugleich auch die anderen Vortheile des leichten und rafchen 
Verkehres bieten. 
Was fich in fchwer zugängliche Waldeinfamkeit zurückzog, wird fich 
wieder den eine leichte Verbindung begünftigenden Strafsen zuwenden, welche die 
fämmtlichen Exiftenzbedingungen beffer zu geftalten vermögen.
	        
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