Mineralifche Kohle.
123
Weit beträchtlicher war jedoch nach den englifchen Handelsausweifer.
das Zurückvveichen der englifchen Kohle im Jahre 1873- Es wurden nämlich in
diefem Jahre nur 18 Millionen Tonnen oder 36 6 Millionen Centnernach Deutfeh-
land gebracht, imWerthe von r68 Millionen Pf St. oder 17 00 Millionen Gulden
öfterr. Währ. Silber. Während alfo der Werth der Einfuhr im Vergleiche mit dem
Vorjahre um ein Weniges flieg, ift dagegen die Menge um 15-1 Percent gefallen.
Die Angaben der officiellen deutfehen Statiftik, foweit fie zu Ende
Januar 1874 veröffentlicht waren, verzeichneten für die drei erften Quartale 1873
blos eine Einfuhr von 6 66 Millionen Centnern an den bedeutendften Zollämtern,
was einer Verminderung um 5 86 Millionen Centner gegen 1872 entfprechen
würde. Allein diefe Daten erfcheinen noch nicht als vollftändig und find durch
die englifchen Angaben überholt.
Immerhin ift das Zurückweichen der englifchen Kohle bedeutend genug,
und es darf diefs Moment als eines der wichtigften feit 1867 im Welthandel mit
Kohle eingetretenen Ereigniffe bezeichnet werden.
Die deutfehe Kohle, nämlich oberfchlefifche, niederfchlefifche und weft-
phälifch-niederrheinifche Kohle, hat in Verbindung mit den auf der Elbe herab
kommenden kleineren Beträgen böhmifcher Braunkohle die mächtige englifche
Kohle allmälig auf einen immer fchmäleren Küftenfaum eingefchränkt. Auf die
Preisgeftaltung der beiderfeitigen Kohlen wird es ankommen, ob diefer Erfolg
ein dauernder fein wird oder nicht.
Ift es der deutfehen Kohle einmal gelungen, den Abfatz an der Küfte und
befonders in dem wichtigften Nordfee-Hafen Hamburg feftzuhalten, fo wird auch
die Zeit gekommen fein, wo deutfehe Kohle als überfeeifcher Handelsartikel und
Ballaft auf dem Weltmärkte erfcheint, worüber die fchon früher angeführte Mono
graphie von Dr. A. Gurlt die trefflichften Winke gibt.
Oefterreich - Ungarn.
Der Waldreichthum, den der Kaiferftaat zumal in den Gebirgen und Vor-
landen der Alpen, Karpathen, des Erz- und Riefengebirges befitzt, fowie die
hieraus refultirenden billigen Holzpreife haben lange Zeit die energifche Gewin
nung mineralifchen Brennftoffes zurückgehalten. Die gröfseren Städte verdankten
ihrer Lage an Fiüffen eine leichte und günftige Holzverforgung; die Eifen-
induftrie ftützte fich auf ausgedehnte Bannwaldungen und die meiften induftriellen
Etabliffements benutzten die aus den Wäldern und von den Gebirgen herabrinnenden
Wafferläufe als wohlfeile, wenn auch unregelmäfsige Bewegungskraft. In diefer
Periode erfetzte der oberirdifche vollkommen den unterirdifchen Wald.
Erft mit der Entwicklung der Eifenbahnen und der Dampffchifffahrt, erft
mit dem Uebergange der Induftrie zum vorherrfchenden Dampfbetriebe, fowie mit
Zunahme der Cokefeuerung bei dem Hochofenprocefse, endlich mit der Ver-
o-röfserung der Städte und dem Theuerwerden des Holzes, welches immer aus-
fchliefslicher feine Verwendung als Bauholz findet, wurde auch in Oefterreich die
Nachfrage nach Kohle allgemeiner und wendete fich das Capital mit Eifer und
Erfolg dem Kohlenbergbaue zu.
Wie allenthalben, waren es auch in Oefterreich in erfter Reihe die Eifen
bahnen, deren Ausdehnung dem Kohlenbergbaue die ftärkften Impulfe gab. Hand
in Hand mit der Vermehrung der Bahnen geht genau die Zunahme der Kohlen-
production und der Eifeninduftrie, eine Thatfache, worüber die Tabellen und
graphifchen Darftellungen Roffiwall’s, die auf der Wiener Weltausftellung zu
fehen waren, das intereffantefte Bild darbieten. Die Entwicklung von drei der
wichtigften Fadloren des Volkswohlftandes in der Zeit von 1819 bis 1871 fpiegelt
fich in folgenden für das gefammte Oefterreich-Ungarn geltenden Ziffern: