Kommerzielle Einwände des Restaurators kann ich hier nicht gelten lassen. Nicht nur einmal
wurde mir von Restauratoren entgegengehalten, man müsse sich den Kundenwünschen
nach möglichst vollständiger Ergänzung beugen, da man sonst den Auftrag verliere — aber
dies ist in meinen Augen ebensowenig ein Argument wie es das des Wissenschaftlers wäre,
der eine Gefälligkeitsexpertise verfaßt, nur um auf diese Einnahmequelle nicht verzichten zu
müssen. Ich gebe allerdings zu, daß es sowohl bei den Restauratoren und ihren Kunden
als auch bei den Wissenschaftern eines Erziehungsprozesses bedarf, der sicher noch lange
nicht abgeschlossen ist.
Wenn der Restaurator kommerzielle Interessen zu sehr in den Vordergrund stellt, kann es
ihm passieren, daß er in einem Bumerangeffekt für seine Restaurierung haftbar gemacht
wird. ,,Die Tätigkeit des Restaurators besteht im .Aufdecken, Wiederbeleben, Abnehmen ent
stellender Zutaten’, nicht ,im Wiederherstellen des ursprünglichen Zustands, im Verfälschen,
Altmachen’. Geschehen solche Verfälschungen durch einen sogenannten Restaurator, um
andere Zuschreibungen zu ermöglichen, so liegt noch keine Beihilfe zu einem Betrug oder ein
Betrugsversuch vor, sofern seine Tätigkeit vor Beginn der Täuschungshandlung abgeschlos
sen ist und die Herstellung und Beschaffung der Mittel eine straflose Vorbereitungshandlung
ist, es sei denn, es komme zum Verkaufsversuch oder Verkauf. Hat aber der sogenannte
Restaurator Verfälschungen im Auftrag eines Kunsthändlers vorgenommen... und rechnet er
damit, daß der Auftraggeber als Kunsthändler das so bearbeitete Kunstwerk verkauft, so
haftet er gemäß § 826 BGB dem dadurch Getäuschten auf Schadenersatz” (Locher 1970
S. 162).
Bei zu weit gehender Restaurierung kann sogar die Echtheit eines Kunstobjekts in Frage ge
stellt werden. „Im Einzelfall kann die Frage der Echtheit bei Restaurierungen außerordentlich
problematisch sein. Ein Bild kann in wesentlichen Partien übermalt, es kann ,auf alt frisiert’
sein. Hierbei handelt es sich nicht mehr um Restaurierungen im echten Sinn. Ein an sich
echtes Bild kann dadurch zu einem unechten werden” (Locher 1970, S. 129).
Im Hinblick auf die Restaurierung von Porzellan kann der Restaurator durch zu starke Ober
flächenretuschen einen Gegenstand so weit verfälschen, daß das an sich echte Porzellan für
ein gefälschtes gehalten wird; dies vor allem dann, wenn auf den Unterseiten großflächig re
tuschiert wird und Marken und Kennzeichen übermalt werden, die dann vom Restaurator
häufig nochmals auf die Retusche gesetzt werden.
FÄLSCHUNG UND VERFÄLSCHUNG VON WIENER PORZELLAN
Der Wiener Bindenschild zählt — mit den Meißener Schwertern und der Sevres-Marke — zu
den meistgefälschten Porzellanmarken. Er wurde bekanntlich an der Wiener Porzellan
manufaktur von 1744 bis 1864 (bzw. 1865) verwendet (Näheres im Kapitel „Kennzeichen
auf Wiener Porzellan”, S. 59). In der ersten Periode der Manufaktur unter Claudius
Innocentius du Paquiergab es keine Fabriksmarke (1718-1744). Bemerkenswert ist, daß
die Fälscher des 19. und 20. Jahrhunderts sich nicht auf das Du-Paquier-Porzellan konzen
trierten, das heute Höchstpreise erzielt, sondern die sogenannte „malerische Periode” der
Sorgenthal-Ära (1784-1805) bzw. die anschließende Zeit bei weitem bevorzugten. Dies war
offenbar eine Frage des Zeitgeschmacks, der das Du-Paquier-Porzellan seinerzeit nicht so
hoch einschätzte, wie wir es heute tun.
Malereien im „Alt-Wiener Genre” entstanden vor allem in Österreich-Ungarn (in Wien und in
der Karlsbader Gegend), in Deutschland (Dresden und Umgebung), in Frankreich (vor allem
in Paris), aber auch in anderen Ländern.
Aus einem Bericht des Jahres 1894 (Central-Blatt 9/10 - 1894/95, S. 263) erfahren wir den
Umfang des österreichischen Porzellanexports: „An Bedeutung weitaus überragend ist der
Export von farbigem Porzellan; er betrug im Jahre 1885 30.000 Mtrctr. und ist im Jahre 1894
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